Welcome to Possum Springs

Night in the Woods ist nicht die neue Erweiterung des Minecraft Modpacks „Life in the woods“, sondern ein liebevoll designtes Indie Game. Per Kickstarter finanziert präsentiert Infinity Fall (Alec Holowka, Scott Benson und Bethany Hockenberry) eines der schönsten 2D Adventures seit langem.

Ein misslungenes Studium, Schwierigkeiten, sich in einer neuen Heimat zurecht zu finden, Depressionen, alles hinschmeißen, heimkommen und mit den Eltern nicht darüber reden können. Die alten Freunde haben sich verändert, sind reifer und erwachsener geworden. Und man selbst sitzt da und weiß nicht was man mit sich anfangen soll. Das ist Night in the Woods.

Eine wunderschön erzählte Geschichte, die die Probleme der 20-jährigen Protagonistin namens Mae Borowski erzählt. Ein typisches Teenagerleben in einer langweiligen Kleinstadt.

Mae hat das College abgebrochen und kehrt in ihre Heimat Possum Springs zurück. Ihr bester Freund Gregg ist in einer Beziehung und arbeitet. Vollzeit. Damals, bevor Mae wegging, verbrachten die beiden ihre Freizeit mit kleineren „Crimes“, wie sie zu sagen pflegten.

In einer kleinen Stadt

Possum Springs ist genauso langweilig wie zuvor. Geschäfte schließen, viele Leute verlassen die Kleinstadt um woanders ein besseres Leben zu finden. Eines Tages finden Mae und ihre Freunde einen abgetrennten Arm mitten am Bürgersteig und versuchen herauszufinden, was es damit auf sich hat. Als dann auch noch auf einem Dorffest eine Person entführt und Mae zur Augenzeugin der Tat wird, stolpern ihre Freunde und sie von einer brenzligen Situation in die nächste.

Night in the Woods ist ein 2D Adventure und lebt von seinen liebevoll gestalteten Charakteren, dem kindlichen, detaillierten Design und den großartig aufgearbeiteten Dialogen. Obwohl man nur einige verschiedene Szenerien während des Spielverlaufs zu sehen bekommt, wirkt die Spielwelt keinesfalls zu klein. Im Gegenteil: Es spiegelt genau das Gefühl der halb verlassenen Kleinstadt wieder. Man kennt sich schnell aus, weiß nach einigen Minuten wer wo wohnt und findet sich schnell zurecht. Eben, wie zu Hause.

Das macht den Charme des Spiels aus. Man kann sich mit den Charakteren sofort identifizieren und wenn man in einer kleinen Stadt oder einem Dorf aufgewachsen ist, kann man sich schnell in den Gesprächen wiedererkennen.

Da gibt es zum Beispiel den grummeligen Nachbar, der immer nur schlecht über einen redet, oder die coolen Kids, die in der Unterführung abhängen und einen fragen, ob man ihnen Alkohol kaufen könne.

Mae und ihre Freunde gehen auf eine Party. ©Finji

Mae und ihre Freunde gehen auf eine Party. ©Finji

Der Anblick mag täuschen

Der Look des Spiels erinnert an ein buntes Kinderbuch. Die grellen Farben und einfachen Formen wirken kindlich und verspielt und stehen so im starken Kontrast zu den Themen, die Night in the Woods behandelt. Seien es Gregg und Angus, die davon erzählen wie schwer es ist, das einzig schwule Pärchen in einer Kleinstadt zu sein oder Danny, der von einem Job zum nächsten wechselt und einfach nicht das Richtige für sich selbst zu finden scheint. Possum Springs ist eine Stadt, die viele solcher Schicksale birgt. Je mehr man sich mit den vielen Charakteren auseinander setzt, desto mehr erfährt man auch über deren Geschichten und Sorgen.

Mae führt ein Notizbuch mit sich und immer wenn man etwas über einen Charakter erfährt, zeichnet sie etwas in ihr Buch und versieht es mit einem kleinen Spruch. Das Büchlein fungiert also als eine Art Achievement-Hunt für den Spieler, ist allerdings auch in der Geschichte verankert.

Night in the Woods ist thematisch ein schweres Spiel. Man begibt sich auf eine emotionale Achterbahnfahrt, jedoch schafft es das Spiel durch die lustig gestalteten Dialoge und die Geschichte rund um das Verbrechen nicht komplett depressiv zu wirken. Der bunte Look und die twitterartige Sprache der Dialoge bringen eine willkommene Abwechslung in die schwere Thematik. Die Gespräche sind gespickt mit Sarkasmus und Zynismus. Die Charaktere haben untereinander Insider-Witze und die Wortwahl ist im Slang gehalten. So wie Jugendliche reden. Das macht die ganze Kommunikation des Spiels sehr authentisch und Realitätsnah.

Man freut sich über jeden neuen Eintrag in Maes Büchlein, über jeden geführten Dialog, über jedes Detail. Obwohl das Spiel immer demselben Rhythmus folgt (aufstehen, mit der Mutter reden, durch die Stadt laufen, was mit Freunden unternehmen, heimkommen, mit dem Vater fernsehen, Computer checken und dann schlafen gehen) wird es nicht repetitiv. Stets sind neue Dinge zu entdecken oder Quests zu vervollständigen, die man einige Tage lang wiederholen muss. Zudem bieten Traumsequenzen eine schöne Abwechslung.

Kurz und knapp: Night in the Woods macht alles richtig.

Es ist der beste Beweis dafür, dass es nicht um großartige Grafik, oder überdimensionale Spielwelten geht. Man muss nicht mehrere Millionen Dollar in ein Spiel stopfen, damit es gut wird. Es müssen nicht immer große Namen dahinter stecken.

Night in the Woods ist ein großes Spiel. Nicht groß im Sinne von „the bigger the better“, sondern groß im Sinne von großartig. Alles, was es braucht, um ein gutes Spiel zu erschaffen, sind eine gute Geschichte und ein passioniertes Team. Liebe Entwickler, wir wollen kein Call of Fifa Black Ops 18, wir wollen Geschichten. Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.


Titelbild ©Finji

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