Exklusiv-Statistik: So oft spielen wir Mega-Spiele durch

Open-World-Spiele wachsen in Quadratkilometern und Beliebtheit. Aber wie viele Leute spielen diese Giganten eigentlich durch? Wir haben harte Fakten, die es euch verraten. Von Florian Born.

Red Dead Redemption 2 ist riesig. Die Spieldauer für die Hauptstory beträgt inklusive Epilog ungefähr 60 Stunden. Diese riesigen Spiele haben Auswirkungen für alle, die mit Videospielen zu tun haben. Egal ob sie diese verkaufen, produzieren, spielen oder über sie berichten wollen. In dieser Artikelreihe behandeln wir die Veränderungen, die mit den großen Spielen einhergehen.

Bisherige Themen:
Die Auswirkungen auf Journalisten

Wir nehmen diesmal die Perspektive der Spieler ein und stellen folgende Frage:

Wie viel Prozent der Spieler spielen die riesigen Open-World-Spiele der letzten Jahre eigentlich noch durch?

Nicht komplett durch, natürlich. Platinjäger waren schließlich immer schon die Ausnahme und nicht die Regel. Aber wie schaut es mit der Hauptstory aus? Wie viele Leute spielen wirklich von Anfang bis Ende? Hat sich das verändert? Und gibt es einen Unterschied zwischen Open World-Titeln und linearen Spielen?

Uns hat das interessiert. Und rein gefühlstechnisch waren wir uns einig: Das kann doch wirklich niemand mehr durchspielen. Das nimmt überhand. Aber leider hilft “gefühlstechnisch” niemandem.


Deshalb haben wir beschlossen: Wir finden es raus. Wir suchen die harten Fakten hinter der Frage. Unsere Methode dafür stand schnell fest. Und auch wenn es nicht um sie gehen soll, haben uns Platinjäger auf die Idee dazu gebracht. Wir haben dazu die Trophäen-Daten aus dem Playstation Network genutzt. Xbox One, Steam und Nintendo konnten wir leider nicht verwenden. Mehr zur Methode und den genauen Quellen weiter unten.

Die Auswahl der Spiele

Nachdem wir eine Möglichkeit hatten, Daten zu bekommen, mussten wir noch eine Auswahl an Spielen treffen. Hierbei beschränkten wir uns auf neue Open-World- und Shared-World-Spiele von Anfang 2016 bis vor sechs Monaten. Damit wollten wir uns einerseits einen zeitlichen Rahmen schaffen, um nicht zu viele Spiele einzubringen. Zum anderen wollten wir nicht zu neue Spiele verwenden. Die Leute sollten ja auch Zeit haben, sie wirklich zu spielen. Das ergab diese Liste von 22 Spielen:

Assassin’s Creed Origins
Dead Rising 4
Destiny 2
ELEX
Far Cry 5
Final Fantasy 15
Ghost Recon Wildlands
Horizon Zero Dawn
K
ingdom Come: Deliverance
Mafia III
Mass Effect Andromeda
Metal Gear Survive
Mirrors Edge Catalyst
Monster Hunter World
Ni no Kuni II: Revenant Kingdom
NieR: Automata
Shadow of War
The Witcher 3: Wild Hunt
Tom Clancy’s The Division
Vampyr
Watch Dogs 2
Yakuza 6

[Anm.: Sollten wir einen wichtigen Titel vergessen haben, sagt uns Bescheid. Wir fügen ihn sehr gern hinzu.]

Und wie viele Leute spielen sie jetzt durch?

Die harten Fakten

Was ihr in dieser Grafik seht, ist die Anzahl an Leuten, die die Hauptstory des Spiels durchgespielt haben, in Prozent. [Anm.: Hovert einfach mit der Maus oder dem Finger über den jeweiligen Balken, dann könnt ihr die Daten lesen. Alternativ stehen euch unsere Unterlagen auch hier zur Verfügung.]

Ein paar Anmerkungen dazu: Bei Shadow of War haben wir als Ende die Shadow Wars angenommen. Immerhin ist das ja auch das wirkliche Ende des Spiels. Bei Destiny 2 war es das Ende des Raids Leviathan. Eine Trophäe für das Ende einer Hauptstory haben wir vergeblich gesucht.

Am öftesten haben Spielerinnen und Spieler nach unseren Recherchen Yakuza 6 durchgespielt. Über zwei Drittel von ihnen. Dabei handelt es sich aber genauso um einen statistischen Ausreißer wie bei Destiny, Kingdom Come Deliverance und ELEX.

Im Schnitt wurden Open-World-Spiele der letzten paar Jahre zu rund 30 % durchgespielt.

Diese Zahl ist ohne Kontext natürlich recht sinnbefreit. Was können wir also aus unseren neugefundenen Fakten machen? Wir haben ein paar Thesen zu den Einflussfaktoren der Playthrough-Rate:

1. Längere Spiele werden weniger oft durchgespielt

Diese These macht auf den ersten Blick am meisten Sinn. Je länger die Kampagne, desto seltener sollte sie jemand durchspielen. Wir holten uns dazu deshalb Daten zur Spieldauer von howlongtobeat.com und sortierten dann die Spiele nach Spieldauer.

In der Grafik sollte man – wenn die These stimmt – einen klaren Anstieg sehen. Das Spiel ganz links – längste Spieldauer – sollte die geringste Playthrough-Rate haben. Jenes ganz rechts – kürzeste Dauer – die höchste. Die Daten sprechen aber eine andere Sprache.

Monster Hunter World – das Spiel mit der zweithöchsten Playthrough-Rate – steht ganz links. Ganz rechts steht Mirror’s Edge Catalyst, das gerade noch zum Mittelfeld gehört. Die Titel mit der geringsten Durchspiel-Rate sind fast schon gleichmäßig dazwischen verteilt.

Die Dauer der Kampagne hat also nichts damit zu tun, wie viele sie durchspielen.

2. Open-World-Spiele werden weniger oft durchgespielt

Wie schneiden Open-World-Spiele im Vergleich zu linearen Titeln ab? Viele Leute stören sich ja an den andauernden Nebenaufgaben und den gigantischen Welten. Frei nach der Devise: “Ich hab doch nur ein Leben!” Wenn es so viele stört, müssten lineare Titel doch öfter durchgespielt werden, nicht wahr?

Schauen wir uns ein paar vereinzelte Daten an: The Last of Us und Uncharted 4 haben eine Durchspielrate von 42 %, Bioshock Infinite 35 % und Dead Space 36 %. Bei The Order 1886 waren es 44 % und bei Wolfenstein II: The New Colossus waren es 45 %.

Diese stichprobenartige Analyse deutet tatsächlich darauf hin, dass lineare Spiele im Schnitt öfter durchgespielt werden als Open-World-Titel. Zumindest um 10 Prozentpunkte öfter. Oder: Eine Person in zehn spielt sie öfter durch.

Das könnte darauf zurückgeführt werden, dass wir in linearen Spielen nur die Hauptstory spielen können und die – im Bestfall – auch noch gut geschrieben ist. Das bringt uns natürlich dazu, dass wir sie durchspielen wollen. Außerdem gibt es ja sonst nichts zu tun. Im Gegensatz zu Open-World-Spielen, in denen man sich ganz gut in Nebenquests verlieren kann. Und unsere Recherche sagt ja auch nur aus, wie viele Leute, die Hauptstory durchspielen.

3. Spiele der letzten Jahre werden weniger oft durchgespielt

Bleibt noch These 3. Lasst uns die Open-World-Spiele der PS4-Ära mit jenen der PS3-Ära vergleichen – erneut nur stichprobenartig. Skyrim hat 29 %, Far Cry 3 35 % und GTA 5 29,6 %. Eine Veränderung lässt sich hier nicht erkennen, wenn wir diese Daten hernehmen.

Mit diesen Ergebnissen lassen sich noch ein paar Schlüsse ziehen:

Linear geht nicht? Blödsinn!

Zum Beispiel könnten wir auf die gerngehörte Aussage von Publishern eingehen, dass die Spielerschaft kein Interesse mehr an linearen Spielen hat. Wäre das der Fall, dürften Games wie Uncharted 4 oder Bioshock Infinite doch eigentlich nicht mehr ankommen, oder? Die Playthrough-Rate verrät, dass eher das Gegenteil der Fall ist.

Außerdem können wir daraus schließen, dass die Spieldauer keine Auswirkungen darauf hat, ob wir ein Spiel durchspielen. Der Grund dafür ist viel banaler: Wenn den Leuten das Spiel Spaß macht, spielen sie es auch durch. Das lässt sich ganz gut beim User-Score der einzelnen Titel ablesen.

Dieses Ergebnis ist zwar nicht besonders aufregend, entspricht aber leider der Wahrheit. Und wenn wir davon ausgehen, lehnen wir uns mal aus dem Fenster und sagen, dass Red Dead Redemption 2 eine solide Playthrough-Rate haben wird. Außer es lenkt die Spielerinnen und Spieler zu sehr ab. Könnte auch passieren.

[Anm.: Unsere Recherchen und Hintergrunddaten zu den Open-World-Spielen könnt ihr übrigens gerne hier einsehen. Und wenn ihr Unklarheiten habt, fehlende Spiele anmerken wollt oder uns einfach eine weitere These geben wollt, die sich durch diese Daten ergibt, meldet euch bei uns.]


Anhang – Die Methode

Hier möchten wir noch genauer auf die Methode eingehen, mit der wir die Daten gesammelt haben. Wie schon erwähnt haben wir dafür Trophy-Daten verwendet, aber nur jene der PS4. Warum?

Für Xbox und Steam haben wir zwar Communities gefunden, die Achievements vergleichen, allerdings die Anzahl der Spieler in diesen Communities zu gering und außerdem noch verfälscht. Wir wollten die Daten aller User und nicht nur die jener Hardcore-Gamer, die sich den Aufwand antun, ihre Achievements in einer eigenen Community zu sammeln.

Auch für die PS4 haben wir eine solche Community gefunden. Allerdings lagen deren Daten im Schnitt ungefähr 10 bis 15 Prozentpunkte über denen des PSN. Die auf den Xbox- und Steam-Seiten waren denen sehr ähnlich, weshalb wir hier auch von einer Verfälschung ausgehen mussten und sie leider nicht verwenden konnten.

Bei Steam kam außerdem noch hinzu, dass einige Spiele gar nicht mehr auf der Valve-Plattform zu finden waren, da EA oder Ubisoft ja ihre eigenen Launcher verwenden.

[Anm.: Falls ihr unverfälschte Daten zu Xbox oder PC bei der Hand habt, freuen wir uns übrigens sehr darüber, wenn ihr uns an diesen teilhaben lasst. Uns würde sehr interessieren, ob es auch plattformbedingte Unterschiede gibt.]

Nintendos Switch mussten wir bei unseren Recherchen auch außen vor lassen, da es hier generell keine Trophäen gibt.

Die Daten der Playstation-Trophies stammen übrigens ebenfalls aus einer Community. Wir haben sie von PSN-Profiles gesammelt. Hier werden aber nicht nur die Ergebnisse der Community selbst gezeigt sondern auch jene des PSN. So konnten wir auch Daten von Spielen sammeln, die wir nicht gespielt haben.


Titelbild © CD Projekt Red, Capcom, Ubisoft

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

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