Drei Gründe, warum Amazons kommende Spiele so wichtig sind

Es geht nicht nur um die Spiele. Amazons Pläne für die Videospiel-Industrie sind allem Anschein nach viel größer. Ein Überblick. Von Florian Born.

Amazon – ja, das Amazon – hat zwei Videospiele aus Eigenproduktion angekündigt. Wenn der wichtigste Online-Marktplatz der westlichen Hemisphäre so etwas tut, sollten wir Spielerinnen und Spieler aufhorchen. Aus drei Gründen.

1. Amazons Spiele

Die beiden Spiele, die Amazon Games nun schon angekündigt habt, klingen durchaus spannend. Nicht wie industrie-definierende Titel, auf die wir in zwanzig Jahren noch wehmütig zurückblicken werden, aber auch nicht wie Spiele, die schon nach einem Monat im Sale landen.

New World wird eine Art Online-Multiplayer-Survival-MMO, wie zum Beispiel auch Fallout 76. Generell stechen schon beim Reveal des Spiels ein paar Similaritäten ins Auge. Freie Entscheidungen, Siedlungsbau und Kooperation zum Beispiel.

Neu ist allerdings das Setting. Man ist Teil der frühen Kolonisierung von Amerika. Mit dem einzigen Unterschied, dass das Amerika hier voller Monster und seltsamer Kreaturen ist, gegen die man sich zu verteidigen hat. [Anm.: Was das in Hinblick auf die Repräsentation von Native Americans bedeutet, wird sich zeigen… ] Die Entscheidungsfreiheit der User steht hier im Vordergrund.

Daneben gibt es noch ein zweites Online-Spiel: Crucible.

Amazon bezeichnet es als “third-person, last one standing game of trust and betrayal”, also ein Third-Person-Shooter, bei dem man einander wohl so schnell wie möglich über den Haufen schießen soll. Vermutlich in Battle Royale-Form. Irgendwie soll man Allianzen schaffen und brechen können und es ist noch die Rede von einem weiteren Spieler, der das ganze Spiel streamt und Ereignisse auslöst.

Hier findet sich eines der magischen Wörter von Amazon Games: Stream. Beide Spiele sind Online-Multiplayer-Titel und werden eine direkte Verbindung zu Twitch aufweisen. Womöglich werden Twitch Prime-Mitglieder die Spiele sogar kostenlos erhalten. Woher wir das mit Sicherheit sagen können? Das kommt in Punkt 2:

2. Amazons Infrastruktur

Amazon ist mitnichten ziel- und planlos an seine Videospiele herangegangen. Das riesige Unternehmen hat dafür nicht nur einige Branchengrößen ins Team geholt (unter anderem John Smedley, Craig Sullivan und Christoph Hartmann), sondern gleichzeitig auch eine Infrastruktur erschaffen, die es ermöglicht, sämtliche Aspekte des Spiels im eigenen Haus zu behalten.


Das endet logischerweise beim Streaming. Twitch gehört bereits seit 2014 zu Amazon und ist zu einem zentralen Teil des Unternehmens geworden.

Der Anfang von Amazons Infrastruktur heißt aber Lumberyard. Dabei handelt es sich um eine AAA-Game Engine basierend auf der Cry Engine von Crytek, die es durchaus mit Branchengrößen wie Unity oder der Unreal Engine aufnehmen kann. Mit zwei zentralen Unterschieden:

Lumberyard

Zum einen können Devs mit Lumberyard direkte Verknüpfungen zu Twitch und Amazon Web Services (AWS) schaffen. Direkt in der Engine und ohne irgendwelche unpraktischen Umwege. Zum anderen ist Lumberyard für komplett kostenlos. Dabei handelt es sich nicht einmal nur um eine Freemium-Version.

Falls ihr euch fragt, ob euch die Engine schon einmal in freier Wildbahn untergekommen ist, so muss ich euch leider enttäuschen. Die Engine existiert auch erst seit Februar 2016. Allerdings gibt es neben Amazons eigenen Spielen zumindest einen Titel in Entwicklung, der euch bestimmt etwas sagt: Star Citizen.

Amazon Web Services

Neben Lumberyard und Twitch hat Amazon aber noch zwei Säulen, die die neuen Spiele tragen werden. Der erste nennt sich Amazon Web Services oder genauer: Game Lift. Dabei handelt es sich um den speziell für Videospiele ausgelegten Zweig von AWS und er bildet das Gerüst, das die Spiele von Amazon halten soll.

Kurz gesagt: Amazon stellt die eigenen Server für seine Spiele. Und für die Titel anderer Publisher. So sind zum Beispiel sowohl Ubisoft als auch Bethesda Kunden von Game Lift. Die Vorteile davon sind laut eigenen Angaben Kompatibilität mit diversen Plattformen, eine Unterstützung von Crossplay und beliebige Skalierbarkeit.

Und dann gibt es natürlich auch noch die Geschäfts- und Marketing-Plattform Amazon an sich. Nicht vergessen: Eigentlich verkauft Amazon ja immer noch hauptsächlich Zeug an Leute. Wir können also davon ausgehen, dass die Spiele bei Amazon in Zukunft ungefähr gleich gut und intensiv beworben werden wie jetzt Prime Video.

Große Pläne

Das wäre schon alles ziemlich interessant, wenn Amazon diese Infrastruktur nur für die eigenen Spiele verwenden würde. Aber das tun sie nicht.

AWS wird schon jetzt von diversen Publishern genutzt. Quasi jedes Spiel der Welt wurde schon einmal auf Twitch gespielt. Wir finden sämtliche Titel und Konsolen am Marketplace von Amazon. Und Star Citizen, eines der ambitioniertesten Videospiel-Projekte aller Zeiten – und einer der effektivsten Geldverbrenner –, verwendet Lumberyard.

Kurz: Amazon erschafft nicht nur Spiele, sondern ist am besten Weg, jeden Teil der Videospiel-Industrie zu beeinflussen. Als wäre das nicht genug, ist Amazon einer der Big Four. Kommen wir also zum dritten zentralen Punkt.

3. Amazons Größe

Die Big Four sind die vier aktuell wichtigsten und einflussreichsten Tech-Firmen in Amerika: Google, Facebook, Apple und eben Amazon. Wenn einer von ihnen sich auf einmal für Videospiele interessiert und in diesem Maßstab darin investiert, dürfen wir das nicht ignorieren. Vor allem, weil Amazon da nicht allein ist.

Alle Big Four investieren in Videospiele. Wenn auch teilweise nur passiv.

Google zum Beispiel arbeitet aktuell an Project Stream. Damit sollen wir in Zukunft unsere Lieblingsgames in jedem Browser der Welt spielen. Ihr erster Partner war Ubisoft.

Außerdem steckt Google viel Zeit und Geld in die Entwicklung von Augmented Reality-Technologien. Genauso wie Apple, die auch an anderer Stelle immer wieder in die Richtung von Videospielen schielen. Beide kontrollieren auch noch respektive die jeweiligen Marktplätze für Mobile Games.

Facebook konzentriert sich währenddessen auf Virtual Reality. Nicht vergessen: Oculus VR – eine der großen Plattformen für VR-Spiele – gehört Zuckerberg.

Fazit

Mit diesen drei Punkten gesammelt, sollten wir weiterhin ein Auge auf Amazon behalten. Sie werden in Zukunft nicht weniger in Videospiele investieren. Zumindest nicht, solange die so viel Geld abwerfen, wie sie es aktuell tun. Amazon hat dieses Potential erkannt und wird es weiterhin bespielen. Und sei es nur, um Jeff Bezos’ Mars-Pläne zu finanzieren.

Dabei ist schon beinahe egal, ob Amazons eigene Spiele, New World und Crucible, ein Erfolg werden. Die sind ohnehin eher Tech-Demos als alles andere; ein Beweis dafür, dass die eigene Infrastruktur auch für andere Entwickler und Publisher eine Option darstellen könnte.


Titelbild © Amazon Games

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

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