Die Faszination des Leak

Ob Insider-Infos oder täuschend echte Fakes, wir alle spüren eine gewisse Faszination, die von einem Leak ausgeht. Doch was steckt hinter den verratenen Geheimnissen?

Kaum etwas ist den Marketingabteilungen so wichtig wie eine perfekt orchestrierte Kommunikation. Jede Enthüllung richtig inszeniert, jede Botschaft zur richtigen Zeit. Der Hype um den nächsten großen Blockbuster unseres liebsten Hobbys will sorgfältig aufgebaut sein.

Streng geheim tüfteln Marketer hinter der Bühne Strategien aus, bereiten Videos und Screenshots vor und studieren Präsentationen für große Events ein. Doch irgendwo lauern sie immer, die Whistleblower und Spatzen, die bereits vor den E3s und Gamescoms von den Dächern pfeifen, was demnächst in den Spieleläden und Elektromärkten im Regal steht.

Leak =/= Leak

Die Gründe für diese ungeplanten Veröffentlichungen sind denkbar vielfältig. Im Falle des berühmten Walmart-Leaks vor der E3 2018 war angeblich ein technischer Fehler schuld. Dazu berief sich Walmart darauf, dass die gelisteten Spiele allesamt spekulativer Natur waren. Gut spekuliert, wenn man sich die Bingokarte nach der E3 einmal ansieht.

Andere Leaks, wie etwa Jason Schreiers Kontakte zu Fallout 76 oder auch der große Leak zu Assassin’s Creed: Odyssey, könnte man als Wohlwollen der Whistleblower auslegen, die uns Konsumenten nicht zu lange im Dunkeln tappen lassen wollen. Der aufgetauchte Schlüsselanhänger zum neuen Assassin’s Creed fällt dafür wohl unter die Kategorie “Missgeschick”. Nicht jede Form der Kommunikation lässt sich heutzutage vollständig kontrollieren.

Was aber, wenn diese “Missgeschicke” gar nicht so zufällig geschehen, wie wir annehmen? Zugegeben, jetzt rühren wir ein wenig den Spekulatius an. Dennoch ein interessanter Gedanke: Was haben diese Leaks vor der E3 mit uns gemacht? Einige werden sich noch gut erinnern können.

Da kommt also ein neues Assassin’s Creed und wir können schon die neue Weltkarte beäugen. Cool! Nächstes Gears of War? Na endlich! Und wo ist nochmal dieses Foto, auf dem im Hintergrund Gameplay zum Final Fantasy VII Remake zu sehen ist? In jedem Fall spricht eine solche Meldung einen Urinstinkt in uns an: die Neugier.

“Leak ist Pop!”

Schon 2016 schrieb der Kolumnist Sascha Lobo rund um die Panama Papers, dass die Inszenierung solcher Leaks wichtiger sei, als ihr Inhalt. Von solchen bislang geheimen Informationen geht etwas Magisches aus. Es zieht uns an, wie die Motten das Licht.

Lobo spricht in seiner Kolumne außerdem an, dass es sich hauptsächlich um die Reaktionen auf die Veröffentlichungen drehe. Dabei geht es um die potentiell Betroffenen – also uns Gamer – aber auch die Produzenten der Produkte. Ubisoft und Bethesda reagierten mit einer vorgezogenen Ankündigung ihrer Titel. Zudem “bedankten” sich Bethesda während ihrem E3 Showcase noch einmal bei “ihren Freunden von Walmart”. Man nahm den Leak mit Humor.

Eine weitere Querverbindung zwischen unserem Spekulatius und Lobos Beitrag ist die gänzliche Unwissenheit über die Motivation der Leaker. Es mag edelmütig anmaßen, wenn uns einzelne Entwickler nicht zu lange auf die Folter spannen wollen. Es mag tollpatschig wirken, wenn große Kaufhäuser wie Walmart und Amazon die Vorbestellungsangebote verfrüht freischalten. Aber was wäre, wenn…

Was wäre, wenn diese Leaks Teil des Kommunikationskonzepts der Publisher sind? Sie machen genau das, was alle anderen Kommunikationsmaßnahmen auch tun. Information über ein Produkt wird auf ansprechende Weise verpackt und regt die Neugier an. In der Regel bindet das potentielle Kunden noch mehr. Außer das Spiel ist so schlecht, dass es ohnehin keinen interessiert. Aber auch da gibt es ja Wege der Vermarktung. Nicht wahr, Aliens: Colonial Marines?

Mit dem richtigen Timing der maßgeschneiderten Info kann also durchaus ein Synergieeffekt zwischen Leak und herkömmlicher Kommunikation entstehen. Wir wollen selbstverständlich niemandem etwas unterstellen. Das Marketing-Potential von als Leaks getarnten News liegt aber auf der Hand. Nicht umsonst spricht Sascha Lobo 2016 von einem Anfang. Dem “Anfang des Leak als Pop.”


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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

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