Was braucht das perfekte Wrestling-Spiel?

The Rock oder Stone Cold Steve Austin beim Titelgewinn zujubeln und den großen Moment gleich nachspielen. Doch auf der Konsole bleibt das WWE-Gefühlsfeuerwerk meist aus. Was fehlt den Games, um zum absoluten Finishing Move zu werden?

World Wrestling Entertainment, kurz WWE, ist seit Jahrzehnten der große Player im Professional Wrestling. Das spiegelt sich auch im Angebot an Wrestling-Videospielen wider. Bereits auf dem Gameboy durften wir Hulk Hogan, Undertaker und Co gegeneinander antreten lassen. Das Beat ‘em up Genre war um eine “realistische” Facette reicher. Schließlich konnten wir die Protagonisten der Spiele auch in regelmäßigen Abständen im Fernsehen anfeuern.

Übertreibung war Trumpf

Während in den 80ern und frühen 90ern ein klares, aber einfaches Gut-gegen-Böse-Schema die Szenerie prägte, bekam in späten 90ern Charakter mehr Bedeutung. Der rebellische Stone Cold Steve Austin oder der arrogante The Rock verdanken dieser als Attitude Era bekannten Zeit ihre Karriere. Wenngleich sie nicht immer zu den “Guten” zählten, kamen sie bei den Fans aufgrund ihrer Authentizität trotzdem an.

Wrestling in den 90ern

Auch Razor Ramon bestach durch jede Menge „Machismo“.

Dazu kamen Storylines, die sämtliche Grenzen übertraten. Okkulte Fraktionen mit Kreuzigungsritualen, Kidnapping und jede Menge Gewalt und Gefluche. Die WWE (damals WWF) dürfte mit gemischten Gefühlen auf diese Zeit zurückblicken.

Während die Wrestlingpromotion ihre Kämpfe mit Storylines legitimierte, blieb den Videospielern in der Regel nur die eigene Fantasie. Erst um die Jahrtausendwende erschienen Titel, die unsere Helden mit Charakter versahen. Konkret: Die “WWF Smackdown”-Serie.

WWF Smackdown “Just Bring It”

Wir beginnen die Suche nach den Bausteinen für das perfekte Wrestlingspiel im Jahr 2001. Gute Wrestlingstorylines enden in der Regel im Ring. Jedoch spielen sie nicht ausschließlich dort. Backstage-Segmente, Interviews und Schauplätze außerhalb der Arena geben einer Geschichte erst den benötigten Tiefgang.

In “Just Bring It” steht dem Spieler zumindest die gesamte Arena als Spielwiese zur Verfügung. Das ermöglicht nicht nur Matchtypen, die auch außerhalb des Ringes entschieden werden können, sondern lässt auch zwischen den Kämpfen Platz für die Erzählung. So kann etwa das Büro des General Managers aufgesucht werden, um nach einem Titelmatch zu fragen.

Auf der Suche nach einem geeigneten Tag-Team-Partner durchstreifen wir Umkleideräume und selbst die Parkgarage. Per Zufall platzen wir in die Auseinandersetzung anderer Wrestler und haben, je nach unserem Verhalten, selbst Ärger am Hals.

WWF Smackdown “Here comes the Pain”

Von vielen als das vielleicht beste Wrestlingspiel aller Zeiten verehrt, führt “Here comes the Pain” 2003 den Backstage-Aspekt nur halbherzig fort. Statt sich frei bewegen zu können, steueren wir einzelne Schauplätze nur per Menü an. Keine potentiellen Zufallsbegegnungen, kein aktives Erforschen.

Zudem lassen sich beim General Manager gleich für drei verschiedene Titel Matches einfordern. Wo bleibt der Aufbau einer langen Fehde? Wo das erlösende Gefühl, wenn sich der Spieler durch viele Hindernisse zum Titelgewinn gekämpft hat?

Wrestling Champion

Der „Lunatic Fringe“ Dean Ambrose ist immer für einen Fight zu haben.

Die Stärken des Titels liegen in der Akquise von Verbündeten. Spricht man beispielsweise Goldberg darauf an, will der erstmal sehen, was wir können. Kurzerhand kommt es zum Streetfight mit ihm. Der Spieler erfährt in dieser Nebenhandlung also etwas über sich und einen weiteren Charakter im Spiel.

Ein weiterer Baustein zum kompletten Wrestlingspiel findet sich hier in Form der Entscheidungsfreiheit. Nach einem siegreichen Match können wir feiern, dem Gegner Respekt zollen oder ihn attackieren. Es liegt an uns, ob wir den Weg des Lichts gehen, oder der dunklen Seite verfallen.

WWE Smackdown vs RAW 2007

Apropos Licht und Schatten. Bevor wir es vergessen, die WWE ist vor allem eines: Eine gewinnorientierte Firma. Nachdem 2001 die Konkurrenten WCW und Extreme Championship Wrestling (ECW) aufgekauft wurden, hat sich die Zahl der Wrestler verdoppelt. Um den Superstars eine Bühne zu geben, kam es zur sogenannten Brand Extension.

Die Wrestler wurden einer der beiden wöchentlichen Shows “RAW” und “Smackdown” zugewiesen. Die WWE war fortan quasi nur die Dachmarke der beiden “eigenständigen” Brands. Zuschauer bekamen so in jeder Show nur die exklusive Auswahl an Superstars zu sehen. Brandübergreifende Fehden waren mit wenigen Ausnahmen dahin.

NXT Wrestling Nachwuchs

Seit einigen Jahren betreibt die WWE mit NXT eine erfolgreiche dritte Brand.

In der gleichnamigen Spielereihe finden wir uns vor genau dieser Ausgangssituation. Backstage haben wir zudem nur noch unseren persönlichen Umkleideraum. Der darf mit gewonnenem Preisgeld zwar nach Belieben verschönert werden, bietet aber lediglich einen Schreibtisch und ein Trainingsgerät zur Interaktion.

Vorhersehbare Überraschungen

Auf dem Schreibtisch steht ein PC, der uns die wichtigsten Teile der offiziellen Homepage zeigt. Möglichst viel Vertrautes, um die Kundentreue zum realen Produkt auch über das Videospiel zu forcieren. Im “WWE Shop” geben wir unser virtuell verdientes Preisgeld aus. Im Blog erscheinen Artikel mit Storyupdates.

Weiters liegt neben dem Bildschirm noch unser Handy. General Manager, Kontrahenten und Verbündete lassen uns regelmäßig Nachrichten zukommen. Selten, aber doch dürfen wir darauf antworten und beeinflussen damit den Verlauf der Dinge. Die Geschichte in unserem Testversuch verlief dennoch überraschend spannend.

Gut Ding braucht Weile

Sie schlägt einen Bogen und verbindet die beiden Shows wieder miteinander. Der aktuelle Champion hetzt uns gegen seine alten Rivalen in der anderen Show auf. Ein paar falsche Versprechungen später hintergeht er uns. Am Ende gelingt es uns trotzdem, alle Widersacher zu besiegen und ihm den Titel abzunehmen.

Wrestling Stables

Die Bösen sind meist zahlenmäßig überlegen. © wikimedia

Freilich wartet der nächste Herausforderer bereits. Doch ehe es zur ersten Titelverteidigung kommt, taucht unser alter “Freund” in der Rolle des General Managers auf. Ihm liegt lediglich daran, den bestmöglichen Herausforderer für den Titel zu ermitteln. Das geht natürlich besonders gut, indem er uns in ein Match mit gleich fünf Gegnern steckt.

Während in “Just Bring it” die Story nach wenigen Auseinandersetzungen bereits absolviert war, beweist die Geschichte in “Smackdown vs RAW 2007” mehr Ausdauer. Genau das sollte ein Karrieremodus auch. Und genau darin liegt auch die Schwierigkeit des Wrestlinggeschäfts und das aktuelle Problem der WWE.

Best for Business kontra Best for Audience

Wer sich etwa auf Wrestling News Source oder dem Youtubekanal von WhatCulture durch die Kommentare liest, kann den Unmut der Fans erkennen. Das Zuseherverhalten hat sich geändert. Besonders deutlich wurde das in jüngerer Vergangenheit am Beispiel Daniel Bryan. Wegen seiner Leistung als Performer, war er für viele der logische Sieger des Royal Rumble 2014. Doch die WWE hatte andere Pläne.

Bryan erfülle nicht das klassische Bild eines WWE Champion. In dieser Storylineerklärung dürfte auch einiges an Wahrheit stecken, wie Bryan selbst vermutet hat. Er sollte schließlich bei Wrestlemania 30 doch den Titel gewinnen. Im Royal Rumble des Folgejahres bekam abermals ein größerer, kräftiger gebauter Superstar den Vorzug. Das Publikum war außer sich.

 

Diese Sturheit der WWE findet sich auch in den jüngsten Videospielen wieder. Statt einer langen Storyline voller Überraschungen, bekommt der Spieler in “WWE 2K16” vorgefertigte Rivalitäten. Entscheidungsfreiheit ist Mangelware. Ein frei begehbarer Backstagebereich fehlt ebenfalls.

Wünsche ans Wrestling-Christkind

Was also sollte WWE 2K18 und seine Nachfolger bieten? Allem voran eine lange ausgefeilte Story, die wir als Spieler immer wieder in andere Bahnen lenken können. Nennen wir es meinetwegen das “Heavy Rain” des Wrestling. Es braucht facettenreiche, glaubhafte Charaktere und Fehden.

Die Championtitel sind nur einer der Gründe, warum sich Rivalitäten im Wrestlinguniversum entwickeln. Das muss nicht in Abstrusitäten wie in Teilen der Attitude Era enden. Wrestler könnten beispielsweise um Führungspositionen in Fraktionen kämpfen. Ebenso kann Prestigegewinn für die jeweilige Brand ein Anlass sein, ähnlich der jährlich abgehaltenen Matches bei der Survivor Series PPV.

Wrestling Tag Team

Verbündete auf Zeit. © wikimedia

Werfen wir anschließend noch den Überraschungsfaktor und eine Prise Open World in den Cocktail. Zumindest die Arena samt Umkleiden, Versorgungsgängen und Parkplätzen sollte Schauplatz für Storyelemente werden. Eine hinterrückse Attacke oder ein vielversprechender Verbündeter kann hinter jeder Tür warten. Wiederspielwert garantiert.


Bildmaterial: 2K Games

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!