Kingdom Hearts 3: Ein verwirrendes, grossartiges Erlebnis

Kingdom Hearts 3 ist bei weitem kein perfektes Spiel. Aber es zaubert einem trotzdem alle paar Sekunden ein Lächeln auf die Lippen. Von Florian Born.

Ein leuchtendes, schwingendes Piratenschiff pflügt sich im zweiten Stockwerk eines Spielzeugladens durch eine Horde von schwarzen Gestalten. Wellen schlagen unter seinem Korpus hervor und schwemmen den Spielzeugroboter davon, der uns mit seinen Blastern unter Beschuss nehmen will. In der Zwischenzeit kümmern sich Buzz Lightyear und Woody um kleinere Feinde.

Dieser scheinbare Albtraum/Drogentrip steht mit seiner geballten Absurdität repräsentativ für Kingdom Hearts 3. Alles wirkt ein wenig übertrieben und nichts macht so wirklich Sinn. Trotzdem kann ich nicht anders, als mit einem breiten Grinsen auf dieses Kampfgeschehen zu blicken und mich daran zu ergötzen, wie ich meine Gegner auf teils völlig abstruse Weise besiege.

Sora und Donald Duck auf einem Dach in Twilight Town in Kingdom Hearts 3.

Apropos abstrus: Kingdom Hearts 3 hat auch einen Selfie-Modus. Den mussten wir ausnutzen.

Man kann es nicht oft genug sagen: Das steht quasi repräsentativ für Kingdom Hearts 3 als Gesamtes. Es ist seltsam und macht zu etwa 75 % keinen Sinn. [Anm.: Ungefähre Schätzung.] Das gilt allen voran für die Geschichte der Reihe, deren kaputter Zustand mittlerweile Kultstatus erreicht hat. Aber dennoch kann ich nicht anders, als mich an dem Spiel zu erfreuen. Denn auch wenn es kein perfektes Spiel ist, macht es schlicht und einfach Spaß.

Story? Wo?!

Ich habe die Story erwähnt und so eine Rezension zu Kingdom Hearts 3 ließe sich natürlich nicht schreiben, ohne auf diesen wunden Punkt einzugehen. Bringen wir es also hinter uns: Die Geschichte von Kingdom Hearts als gesamtes ist ein chaotisches, verwirrendes Netz aus absurden Narrativen, die entworren keinen wirklichen Sinn ergeben würden. Das ist so und das lässt sich auch nicht schön reden.

Allerdings ist dieser Umstand auch schon hinlänglich bekannt und alle, die zu diesem Spiel greifen, sollten das wissen. Wenn ihr es nicht wusstest, seid ihr hiermit hoffentlich hinlänglich informiert. Zum anderen, muss man den Entwicklern – und vor allem dem Story-Team – hoch anrechnen, wie gut sie mit ihrem Erbe umgegangen sind. Trotz dem verwirrenden Hintergrund gelingt dem Spiel ein roter Faden, der sich durch die Welten zieht.

Sora und Woody in der Welt Toy Box in Kingdom Hearts 3.

Woody und Buzz Lightyear stehen uns mehrfach im Kampf zur Seite.

Die Geschichte von Teil 3 ist dabei wesentlich besser gelungen – und vor allem verständlicher – als jene der Vorgänger. Man hat sich sichtlich bemüht, das chaotische Netz aus Erzählsträngen zu entwirren und es ist sogar gelungen, einige unterhaltsame Szenen zu gestalten. Außerdem bietet das Spiel uns im Startmenü auch einen Rückblick auf alle Vorgänger-Teile in Kapitelform. Der ist hilfreich, aber nicht ausführlich genug, um kompletten Newbies alles zu erklären.

Disney-Charme

Also ja: Die Geschichte von Kingdom Hearts 3 macht nicht viel mehr Sinn als die seiner Vorgänger, aber wenn wir darauf herumkauen, kommen wir auf keine wirklich Darstellung des Spiels. Denn wie alle, die sich der Reihe schon einmal gewidmet haben, bestätigen können: In Kingdom Hearts geht es nicht um die Story, sondern um das Erlebnis.

Dieses Erlebnis beginnt und endet mit den Welten von Disney und Pixar. Und hier glänzt Teil 3 mehr als alle, die davor kamen. Von Toy Story über Tangled und Frozen, zur Monster AG und bis zum Olymp. Alle Welten sind mit einer erstaunlichen Liebe zum Detail entstanden und beweisen, wie intensiv sich Disney Interactive und Square Enix wirklich mit den Filmen auseinandergesetzt haben, die sie in ihr Spiel integriert haben.

Es ist schwer zu beschreiben, wie genau das passiert ist, oder woran man das erkennt. Aber wenn Megara Herkules mit einem schnippischen “Wunderknabe” betitelt, wenn Flynn Rider sich in der Zwischensequenz still und heimlich aus dem Kampf verabschiedet oder wenn man Mike Glotzkowsky wie eine Bowling-Kugel in die Gegner schleudert, versteht man es. Ich kann es nicht besser sagen: Das Spiel fängt die Essenz der einzelnen Filme ein.

Runde Sache

Das zieht sich weiter durch die Dialoge, die den Humor der jeweiligen Filme mit dem der Serie verbinden und die erzählten Episoden mit den Erfahrungen von Sora und seinen Freunden verknüpfen. Das ist in manchen Fällen zwar ein wenig aufs Auge gedrückt, wirkt aber nie zwanghaft pseudophilosophisch.

Sora in seiner Monsterform zusammen mit Mike und Sully in der Monster AG.

Mike und Sully gehören zu den Highlights des Spiels.

Und dieser Charme der Reihe ist vor allem auch im Kampfsystem zu spüren, das – im positiven Gegensatz zu manchen der Spin-Off-Titel – wieder wunderbar geradlinig verläuft. Normale Angriffe, Ausweichrollen, Blocks und ein paar Varianten der Magie stehen uns zur Verfügung und erinnern äußerst positiv an die Zeiten der ersten beiden nummerierten Teile.

Hinzu kommt das gelungene Free-Flow-System des 3DS-Ablegers Dream Drop Distance, dank dem wir von Wand zu Wand rasen und große Distanzen und Abgründe in kürzester Zeit überwinden können. Das gibt uns einige Möglichkeiten im Kampf, stellt sich aber vor allem bei der Erkundung der großen Areale als hilfreich heraus. Dazu gleich mehr.

Abwechslung muss sein

Das Kampfsystem sorgt zusätzlich zu den recht einfachen Angriffsvarianten noch mit etlichen Gimmicks dafür, dass es nicht zu schnell langweilig wird. Wir können zum Beispiel fließend im Kampf zwischen bis zu drei Schlüsselschwertern wechseln, die sich alle nach kurzer Verwendung in ein oder zwei weitere Formen mit einem völlig neuen Kampfstil verwandeln können. So können wir dann auch einen großen Hammer schwingen, Pistolen oder einen Raketenwerfer gegen unsere Feinde zücken oder uns selbst kurzzeitig klonen.

Außerdem bieten sich unsere Teammitglieder immer wieder für gemeinsame Super-Attacken an – für alle, die mal ein Feuerwerk mit Donald Duck zünden wollten – und wir können auch auf “Attraktionen” zurückgreifen. Das eingangs erwähnte Piratenschiff war so eine.

In der Karibik – einer Welt von Kingdom Hearts 3 – müssen wir manchmal auch unter Wasser kämpfen. Hier mit Sora und Donald.

Zur Abwechslung dürfen wir auch mal abtauchen.

Außerdem bieten die unterschiedlichen Welten oft auch eigene Ideen. In “Toy Box” können wir uns hinters Steuer eines Mechs klemmen, in Arendelle (Frozen) walzen wir unsere Feinde mit einer Schneekugel nieder und in der Karibik verbringen wir viel Zeit unter Wasser oder an Deck eines Schiffs.

Bei all diesen Extras werden wir aber nie overpowert. Im Gegenteil ist es eher der Fall, dass wir sie ganz dringend brauchen, wenn wir im Kampf eine Chance haben wollen. Zum Beispiel haben nicht nur wir einen Riesenroboter, sondern auch unsere Feinde. Gerade bei Bosskämpfen war ich immer froh, wenn ich eine Attraktion oder einen Spezialangriff nutzen konnte.

Reduktion und Weitläufigkeit

Eine logische Konsequenz dieses Variantenreichtums: Wir können Sora nicht frei nach unserem Gutdünken weiterentwickeln. Stattdessen werden sein Stats automatisch verbessert. Durch die Auswahl unseres Schlüsselschwerts können wir aber doch einen Schwerpunkt in unserem Spielstil finden.

Sora und Goofy in den verschneiten Landschaften von Arendelle in Kingdom Hearts 3.

Wunderbar verschneit ist es in Arendelle.

Außerdem tut dieses kleine Manko dem Spielspaß keinen Abbruch. Es unterhält in jeder Hinsicht, sich durch die Gegnerhorden in den großen Arealen zu prügeln. Diese sollten übrigens auch noch kurz positiv erwähnt werden. Wie vorherige Spiele, hat auch Kingdom Hearts 3 keine offene Welt, sondern große abgeschlossene Räume.

Die sind aber im Vergleich zu den Vorgängern wesentlich gewachsen und bieten eine bisher ungesehene Weitläufigkeit. Einerseits in der Horizontalen, aber vor allem auch in der Vertikalen. Ich kann mich an wenige Spiele erinnern, die so spielerisch mit der Höhe ihrer Räume umgegangen sind.

Auch Kritik

Neben all dem Lob muss ich Kingdom Hearts 3 aber auch kritisieren. So zum Beispiel ist die Steuerung an einigen Stellen schwammig, weshalb wir zum Beispiel stockend laufen, unsere Angriffe nicht richtig erkannt werden oder wir eben nicht so fließend durch die Welten huschen können, wie wir gern würden.

Das macht sich vor allem bei Passagen bemerkbar, die vom Standard-Spielsystem abweichen. Die sind definitiv zu schwer, weil die Steuerung zickt und nicht, weil mir die Skills fehlen.

Außerdem nimmt uns das Spiel in seinen Tutorials so penetrant an die Hand, dass man meinen könnte, es wolle damit für die mangelnden Erklärungen in seiner Geschichte aufkommen. Ich weiß, wie ich laufe, springe und schlage. Du musst nicht alles erklären, liebes Spiel! Ein kontextbasiertes Tutorial wäre an dieser Stelle wünschenswert gewesen.

Fazit

Trotz diesen Mankos und allen voran der völlig kaputten Geschichte ist Kingdom Hearts 3 in meinen Augen ein Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Es ist nicht perfekt, aber es gelingt ihm, mir alle paar Sekunden ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Sora und Rapunzel in der Welt Corona von Kingdom Hearts 3.

Dieses Grinsen entspricht ungefähr dem meinen. Vor allem, als ich Raps gesehen habe.

Denn letzten Endes geht es in Kingdom Hearts nicht wirklich um die Story oder um ein ausgeklügeltes taktisches Gameplay, sondern darum Seite an Seite mit den Disney-Helden und -innen übertrieben dargestellte Feinde mit einem riesigen Piratenschiff zu rammen. Es geht darum, Spaß zu haben und mit einem Dauergrinsen in Disney-Welten abzutauchen.

Mit diesem Anspruch im Hinterkopf, hat Kingdom Hearts 3 alles geschafft.


Bebilderung © Disney, Square Enix

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

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