Grazer maturiert mit Videospiel

Während wir Rilke gebüffelt haben, hat Thomas Fankhauser zur Matura ein Videospiel entwickelt. Im Interview erzählt er von seinem Projekt und seiner Sicht auf die österreichische Dev-Szene. Interview: Florian Born.

Screaming Pixel: Du hast als vorwissenschaftliche Arbeit ein Videospiel programmiert. Was war es für ein Genre?

Thomas Fankhauser: Ich kann das nicht so genau sagen. Ich habe mir zuerst eine Geschichte vorgenommen und die dann in ein Spiel verpackt.

Was für eine Geschichte?

Das Spiel startet mit dem Aufwachen. Zuerst ein paar kleine Aufgaben – Kaffee kochen und so weiter. Dann kommt eine Nachricht vom Chef, dass man endlich in die Firma kommen soll, weil man schon wieder zu spät ist.

Dort ist dann das zweite Level und wir arbeiten, bis der Chef uns in sein Büro holt. Wir werden gefeuert und merken: Es geht alles bergab. Daheim wartet auch noch ein Brief von der Frau, die einen verlässt, weil man so langweilig und erfolglos ist. Es folgt die Entscheidung alles loszulassen und aufs Land zu fahren. Wir gehen dann durch einen Wald und kommen ganz am Ende an eine Klippe. Die Sonne geht gerade unter und der Protagonist setzt sich auf eine Bank.

Ich dachte, jetzt kommt: “…und stürzt sich runter!”

(lacht) Das hab ich mir ganz kurz überlegt, aber ich wusste nicht, wie weit ich bei der VWA-Präsentation komme. Das wäre vielleicht nicht so gut angekommen.

Alles sehr ruhig im Wald…

Hast du dich dafür an einem anderen Game orientiert? Es klingt ja ein wenig nach The Vanishing of Ethan Carter.

Voll! Ich habe The Vanishing of Ethan Carter vorher gespielt und war davon begeistert. Also prinzipiell vom Genre. Mir gefällt es generell besser, wenn die Geschichte im Vordergrund steht. Ich mag Shooter genauso, aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich immer eine gute Geschichte wählen. Also ja: Es hat sich ein bisschen daran orientiert.


Kannst du uns ein paar technische Eckdaten geben? Was war zum Beispiel die Engine, die du verwendet hast?

Ich habe mit der Unreal Engine 4 gearbeitet. Vor allem, weil ich durch meine Ausbildung im Gymnasium kaum Zugang zum Programmieren hatte. Hier konnte ich mit den Nodes arbeiten. Man muss also nicht programmieren, sondern nur Ereignisse aneinanderreihen. Das wurde zwar auch schon richtig kompliziert, aber immer noch leichter als eine Programmiersprache zu lernen.

Meine ganzen Modelle hab ich mit Blender gemacht. Die waren alle im Low-Poly-Stil, mit einfachen Formen und Texturen, weil ich wollte, dass man es auf allen Geräten spielen kann. Das ist auch ein bisschen in die Hose gegangen. Ich hatte keine Ahnung davon und es war deshalb nicht leistungsoptimiert.

Hinter den Kulissen.

Wie ist das Spiel bei deinen Professoren angekommen?

Die meisten haben, glaub ich, nicht wirklich gewusst, wie sie darauf reagieren sollen. Nur mein Betreuer und ein zweiter Informatik-Lehrer haben wirklich gewusst, was dahinter steckt. Aber die meisten waren ganz erstaunt und haben gefragt, wie lang ich dafür gebraucht habe.

Wie lang hast du dafür gebraucht?

Das konnte ich bei der Präsentation schon nicht beantworten.

Zu lang also?

Das auf jeden Fall! Im Sommer des Maturajahres habe ich angefangen. Fertig war es im Jänner. Etwa drei bis vier Stunden pro Tag – sehr viel Zeit!

Hattest du irgendwelche Unterstützung? Von Entwicklern oder Lehrern?

Nicht besonders viel. Unsere Lehrer haben sich auch nicht wirklich damit ausgekannt. Mein Betreuer konnte zwar programmieren, aber das hat mir mit den Nodes auch nicht wirklich geholfen. Ich habe dann eine Community entdeckt. Genauer gesagt zwei Streamer, die hobbymäßig Spiele entwickelt haben. Ich habe mich viel mit denen ausgetauscht. Die halfen mir zwar nicht direkt, aber es war schön, Gleichgesinnte zu haben, die einem Tipps geben und einen motivieren.

Schnöder Alltag.

Willst du in Zukunft weiterhin an Games arbeiten?

Mir fehlt meistens die Idee. Die Motivation wäre da. Es ist heute schwer, etwas Neues zu finden. Und etwas Anderes weiterzuentwickeln, bringt die Frage: Wollen die Leute das überhaupt oder sehen sie es nur als billigen Abklatsch? Aber grundsätzlich ja. Ich möchte den Studiengang Game Engineering belegen. Der Traum wäre dann ein eigenes, kleines Entwicklungsstudio.

Was meinst du? Gibt es in Österreich überhaupt Möglichkeiten, in der Branche was anzufangen? Die ist ja doch wesentlich kleiner als zum Beispiel die deutsche.

Das natürlich, aber wir sind ja auch in jeder Hinsicht kleiner als Deutschland. Aber was ich bei der Suche nach Praktika mitbekommen habe: Es gibt schon etwas. Auch in Graz. Bongfish und Rarebyte sind jedenfalls ein guter Einstieg, wenn man hinkommt. Es braucht nur eine gute Idee. Denk nur an Cuphead. Die waren auch völlig unbekannt. Mit einer guten Idee geht alles auch ohne riesiges Budget.

Wie ist in deinen Augen die Unterstützung vom Staat? Werden junge Entwickler in Österreich gefördert? Oder fühlst du dich allein auf weiter Flur.

Ich glaube, dass die meisten Informatik-Sachen – und speziell Spiele-Entwicklung – vom Staat noch nicht wirklich entdeckt wurden. Ich hab’s auch bei der VWA gemerkt. Es gibt für alle Bereiche Wettbewerbe und Preise. Aber für Informatik gab es zum Beispiel sehr wenig.

Und was würdest du dir wünschen?

Schwer zu sagen, aber was mir allein schon fehlt – und das hat jetzt nichts speziell mit Spiel-Entwicklung zu tun – ist die Bildung. Wenn man nicht auf einer HTL ist, hat man so gut wie nichts mit Computern zu tun. Und dafür, dass das so eine aufstrebende Branche ist, fehlt bei den meisten Leuten das komplette Grundwissen.

Also findest du, in jedem Fach – außer Mathe vielleicht – sollte ein Computer am Tisch stehen?

Dafür wäre ich sowieso. Mir fiel auch bei den meisten Leuten in meiner ehemaligen Klasse auf, dass jegliches Allgemeinwissen gefehlt hat. Man muss daran denken, mit welchen billigen Tricks Viren auf Rechnern landen, weil die Leute keinen Dunst haben.

Zurück zu deinem Spiel: Ist das fertig geworden?

Das hängt davon ab, wie man es sieht… Grundsätzlich: Es steht zwar alles, aber es gibt noch kein programmiertes Ende. Vor allem gegen Ende hin fehlen noch ein paar Sachen. Weil ich nicht sicher war, wie weit ich bei der Präsentation kommen würde, geht man am Ende in ziemlichen Schlangenlinien. Ich wusste nicht, ob sich wir uns nur hinsitzen sollen, oder…

Oder doch von der Klippe runter?

Oder das. Aber ich will es ohnehin nochmal überarbeiten, damit man es auch auf normalen Geräten spielen kann. Bisher läuft es leider nur auf ziemlich starken Rechnern.

Willst du es dann auch irgendwo zur Verfügung stellen?

Ich erwarte mir zwar nichts, aber grundsätzlich schon. Die komplette Spielzeit sind ja auch nur zehn bis fünfzehn Minuten. Es ist auch nicht anspruchsvoll, aber das war auch nie mein Ziel. Mit der VWA wollte ich nur zeigen, wie die Spielentwicklung funktioniert und gleichzeitig keinen kompletten Nonsens entwickeln. Das habe ich für mich erfüllt.

[Anm.: Thomas Fankhauser hat die Matura bereits 2017 abgeschlossen. Das Interview wurde im Frühjahr dieses Jahres geführt.]


Bildmaterial © Thomas Fankhauser

[amazon_link asins=’1541363345,B078D674R9,3527714642′ template=’ProductGrid‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’f50be389-a54a-11e8-9682-231f0d0d1b6a‘]

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

Deine Mail-Adresse wird nicht gepostet. Die benötigten Felder sind markiert*