Fallout 76: Eine Tragödie in drei Akten

Ein Monat ist seit dem Release von Fallout 76 vergangen. Wir werfen einen Blick zurück auf eine Geschichte, die so schon hätte werden können und zu Tragödie wurde. Von Florian Born.

Fallout 76 macht seit Wochen negative Schlagzeilen. Einen Monat nach dem Release werfen wir einen Blick zurück auf die tragische Geschichte eines vergurkten Spiels und eine nicht minder misslungene Marketing-Kampagne.

Akt 1: Ankündigung und Vorab-Fehler

Es hätte alles so schön werden können, dachten wir uns noch im Mai, als Bethesda auf dem offiziellen Twitch-Account einen höchst kryptischen und inhaltsfreien Livestream startete. Im Hintergrund ein Fallout-typisches “Please Stand By” und gelegentliche bekannte Gesichter waren alles, was wir zu sehen bekamen. Der lief rund einen Tag lang und ließ uns am Ende mit dem ersten Teaser für die jüngste Installation des Fallout-Franchise zurück.

Kurz darauf kamen bereits die ersten Berichte darüber auf, was sich hinter dem Spiel verbergen würde und die Leute waren… unzufrieden. Einerseits mit dem potentiellen Inhalt. Andererseits mit Jason Schreier, der den Leuten mit seinem furchtbar “unpraktischen” Journalismus die Freude an der Überraschung verdarb.

Die Fanbase teilte sich in zwei Gruppen. Die einen hofften. Die anderen hatten den Titel schon aufgegeben. Wer letzten Endes recht haben sollte, würde später klar werden. Fallout 76 wurde in diesen Anfangszeiten unter anderem als Rust-Klon mit Fallout-Anstrich bezeichnet. Und die Kommunikation rund um den angehenden Titel wurde nicht besser.

Bald nach der offiziellen Ankündigung hat Todd Howard, Creative Director bei Fallout 76, bekannt gegeben, dass es kein Crossplay geben werde. Der Grund dafür? Sony. Die Playstation unterstütze nämlich kein Zusammenspielen mit anderen Plattformen. Und Sony sei nicht besonders hilfreich gewesen. Und nur wegen der Xbox One und Windows wolle man sich die Arbeit nicht antun. Leider.

Im September hat Sony allerdings angekündigt, dass man aufgrund des Drucks rund um Fortnite nun doch Crossplay unterstützen wolle. Freude in der Gaming-Szene, aber es war scheinbar zu spät für Fallout 76. Denn auf Nachfrage hieß es, dass Bethesda die Funktion nicht mehr einbauen könne. Dafür sei das Spiel schon zu weit in seiner Entwicklung fortgeschritten. Oder genauer: Man hat es nie geplant.

Nicht vergessen: Wir sind noch nicht einmal beim Release angelangt und davor kommen noch zwei Punkte auf euch zu. Zum einen die Entscheidung Bethesdas, auf Steam zu verzichten. Stattdessen erschien das Spiel im hauseigenen Launcher, der später noch Probleme machen würde.

Zum anderen stand Bethesda nur kurz vor dem Release in harscher Kritik wegen der Darstellung von nuklearer Energie. Nukleare Sprengköpfe sollen laut Experten als jene Massenvernichtungswaffen dargestellt werden, die sie sind. Die Gefahren von atomarer Energie sollten in dem Spiel gezeigt werden. Stattdessen habe es aber den Anschein, als würden sie völlig ignoriert. Das wird sich mit der BETA bestätigen.

Akt 2: Beta und Release

Über die BETA von Fallout 76 lässt sich viel erzählen. Die Eskapaden beginnen mit dem Launcher von Bethesda. Der hat – je nachdem zu welcher Kategorie von Pechvogel man sich zählen durfte – entweder durch einen Bug sämtliche BETA-Files gelöscht oder aber später verhindert, dass Leute das Spiel wieder deinstallieren.


Von den Problemen des eigentlichen Spiels noch gar nicht angefangen. Wir haben die schon in einem Artikel behandelt. Hier trotzdem noch einmal die wichtigsten Punkte:

Schon allein die Präsentation von Fallout 76 ist unterdurchschnittlich. Die Geschichte wird durch den Mangel an menschlichen NPCs nur durch Roboter, Briefe oder Holo-Tapes erzählt. Also das wenige an Geschichte, das wir mitbekommen haben. Denn durch Dialoge arten die Aufgaben in Listen-Abarbeiten und Gegner-über-den-Haufen-Schießen aus.

Auch das funktioniert nicht so gut, wie wir es gern hätten. Verzögerungen und das von Bethesda bekannte mäßige Gunplay tun ihr Übriges. Hier hilft nicht einmal die sonst sehr angenehme Zielassistenz V.A.T.S. aus dem Fallout-Universum. Die verlangsamt die Welt um uns herum im Gegensatz zu den Singleplayer-Spielen nämlich nicht. Ergo erschwert sie Treffer eher, als dass sie sie ermöglicht.

Hinzu kommt, dass das Spiel mit einer recht alten Engine programmiert wurde. Die Schwächen dieser wurden schon mehrfach besprochen, aber es gibt auch Stimmen, die sagen, das Problem läge nicht an an dem Werkzeug sondern am Handwerker. Was auch immer der Grund sein mag: Fallout 76 wirkt veraltet. Die Grafik ist altbacken und gleiches gilt für Animationen und die Menüstruktur.

Gerade letztere ist eine Krux des Spiels. Fallout-Fans wissen, wie sperrig der Pip-Boy zu bedienen ist. Wenn man nun das Spiel zusätzlich nicht pausieren kann, will man das kleine Gerät am liebsten vom Handgelenk reißen und aus dem Fenster werfen.

Diesen Problemen entsprechend fielen auch die Rezensionen von Fallout 76. Unterdurchschnittlich ist noch ein Euphemismus dafür und sehr viele Fans der Serie haben von vornherein einen großen Bogen darum gemacht.

Akt 3: Live “Service”

Ein Spiel kann in seinem Nachleben noch viel wiedergutmachen. Patches, Updates und eine gelungene Kommunikation gleichen einiges aus. Dieses Memo hat Bethesda allerdings nicht bekommen. Es scheiterte hauptsächlich am Dialog mit den Fans und an einer Marketing-Abteilung, die ihren Namen nicht verdient.

Bald nach dem Release gab es das erste Problem. Stichwort: Duffel Bags. Käufer der Power Armor Edition erhielten anstelle von versprochen Taschen aus Segeltuch nur billige aus Nylon. So weit, so irreführendes Marketing. Der Affront wurde dann noch dadurch verstärkt, dass andere – konkret: Influencer – sehr wohl hochwertige Taschen erhielten.

Selbstverständlich fiel das jemandem auf und bald darauf hatte Bethesda einen Shitstorm am Hals. Unter dem versuchten sie sich hinwegzuducken, indem sie den Leuten weismachen wollten, es gebe eine Materialknappheit. Als das nicht aufging, kompensierten sie die Spieler mit 500 Atoms im eigenen Ingame-Shop. Weniger als man für die virtuelle Version der Duffel-Bag zahlen muss. Zum Vergleich: Die Power Armor-Edition kostet 200 Dollar.

Wenig überraschend musste Bethesda also noch einmal reagieren. Diesmal dafür anständig. Dazu haben sie ein Ticket auf ihrer Support-Seite eingerichtet. Alle, die eine Power Armor-Edition gekauft hatten, konnten hier eine neue, richtige Tasche anfordern.

Damit könnte der Kuchen gegessen sein. Wenn nicht kurz darauf aufgekommen wäre, dass die Support-Seite von Bethesda Informationen von Usern leakte. Adresse, E-Mail-Adresse, Name und sogar Teile der Kreditkarten-Daten standen für die Augen aller bereit.

Jetzt – und wir sind damit schon fast am Ende dieses Trauerspiels angelangt – kommen mehr und mehr Probleme rund um die Patches zu Fallout 76 auf. So gab es große Tücken beim nachträglich eingeführten Ultra-Wide-Mode für PC-Spieler. Außerdem machten sie das Spiel merkbar schwerer, ohne die Community davon in Kenntnis zu setzen.  

Die Probleme des Spiels sind am Kaufpreis erkennbar. Schon am Black Friday war Fallout 76 um 20 $ reduziert. Auch jetzt bekommen wir Fallout 76 für 35 € im PSN-Store.

Epilog: Wohin jetzt?

Nun sind zumindest die ersten Eskapaden überstanden. Schlimmer als die geleakten User-Daten kann es auch fast nicht mehr kommen (Klopf auf Holz). Wie Bethesda dieses Schiff noch herumreißen will, können wir allerdings nicht abschätzen. Sie werden viel Geld, Zeit und Arbeit hineinstecken müssen, wenn sie Fallout 76 spielbar machen wollen. Und selbst dann ist weder garantiert, dass das Spiel unterhaltsam wird, noch dass so lange nach Release noch ein Hahn danach krähen wird.

Auch für die Zukunft des Studios schaut es nicht besonders rosig. Das Vertrauen der Spieler ist nach Fallout 76 jedenfalls dahin. Wie es bei den beiden kommenden Titeln – Starfield und The Elders Scrolls 6 – aussehen wird, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Es wird jedenfalls die gleiche Engine mit Verbesserungen zum Einsatz kommen.

Wir wissen nur, dass Bethesda transparenter arbeiten werden muss. Auch sollten sie auf gut gemeinte Kritik hören und ehrlich zu ihrer Followerschaft sein. Ob und wie eine technische Infrastruktur gebraucht wird, ist aktuell noch umstritten. Eine Verbesserung in dieser Hinsicht wird jedenfalls nötig sein.

Und ein letztes noch: Sie sollten die Finger von Online-Spielen lassen. Dafür hatten sie sich ja eigentlich auch ausgesprochen. Eigentlich.


Titelbild © Bethesda

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

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