Kolumne: Wie Spiele einen Job bringen können

Spielen ist verschwendete Lebenszeit? Wir wissen schon lange, dass das nicht stimmt. Und so langsam kommt es auch in der restlichen Gesellschaft an. Von Thomas Kunze.

Jake Leiper-Ritchie liebt Strategiespiele. Seine neueste Erwerbung, Ship Simulator Extremes, gefiel ihm so gut, dass er einfach nicht zur Uni ging. Nicht nur einen Tag, sondern ein paar Wochen. Eine schlaue Entscheidung?

Jake entdeckte seine Liebe zu 4X-Strategiespielen und zu Paradox Interactive im Speziellen. Seine Liebe besteht weiterhin, aber neben großen Strategiespielen liebt er auch Spiele mit viel Bewegung, wie Dance Dance Revolution. So fand er auch seinen Namen DDR Jake, unter dem er als Youtuber einen gewissen Ruhm erlangt und aktuell 50.000 Abonnenten erreicht.

Aber er spielt eben auch große Strategiespiele, Paradox Spiele und da insbesondere Europa Universalis. Er spielt so gut, so akribisch, wie kaum ein anderer, nähert sich dem Spiel systematisch und analytisch und lotet auch die abseitigsten Aspekte des Strategiekolosses von Paradox aus. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, er wisse alles über dieses Spiel.

Vom Strategiespiel zum Spielstrategen

Diesen Eindruck hat wohl auch Paradox Interactive gewonnen, denn sie haben DDR Jake einen Job gegeben. Erst in ihrem Q&A-Bereich und schließlich sogar als Game Director für Europa Universalis. Das Spiel, das er so liebt.

Nicht jeder kann so zu seinem vermeintlichen Herzensjob kommen. Und der Traum vieler Jugendlicher, erfolgreicher Twitch-Streamer oder Youtuber zu werden, wie PewDiePie, Jacksepticeye, Markiplier oder Ninja, bleibt meistens auch nur genau das: ein Traum. Dennoch haben diese Leute ihr Hobby Gaming zum Beruf gemacht. Vor einigen Monaten konnte man in den Medien lesen, dass Eltern in den USA für ihre Kinder professionelle Fortnite-Trainer engagieren.

Ob das ein dauerhaftes Berufsbild sein kann, bleibt dahingestellt. Betreibt man Spielen als Leistungssport, besteht aber schon die Möglichkeit, davon zu leben und – bei einem gewissen Erfolg – auch gut zu verdienen. Sogar über die kurze Zeitspanne des aktiven eSportler-Daseins hinaus. Sei es als Trainer, als Caster, als Eventmanager oder als Content Producer. Gamer oder Gamerin zu sein, steht da natürlich in der Stellenbeschreibung.

Modder wird Entwickler

Beim Modding sieht es ähnlich aus. Okay, ich weiß, Programmieren können muss man natürlich auch, aber die Liebe zu einem gewissen Spiel und die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Code über ein Hobby hinaus, sind die Basis, um als Modder von Game Studios engagiert zu werden. Das Studio Boss Key von Cliff Bleszinski hat sogar Leute engagiert, die für Team Fortress 2 Maps gestaltet haben. Ja, das Studio existiert nicht mehr und das Ende war alles andere als ruhmreich, aber das ist eine andere Geschichte.

Dennoch lohnen sich Modding und kreative Arbeit mit vorhandenen Spielen, Editoren und vor allem das Programmieren und das Umgestalten von Code. Alexander Velicky, der Programmierer des Skyrim-Mods Falskaar, wurde aufgrund seiner Arbeit von einem Spielestudio engagiert. Es war zwar nicht das gewünschte Bethesda Engagement, sondern ‘nur’ Bungie, aber er ist in der Spieleindustrie angekommen.

Abseits des Gaming

Gut in einem Spiel zu sein, lohnt sich aber nicht nur für eine Karriere in der Gaming Branche. Rudy van Buren zum Beispiel hat 2017  den Wettbewerb McLaren’s World’s Fastest Gamer gewonnen und wird jetzt für McLaren fahren, zwar nur virtuell, aber seine Arbeit beschränkt sich nicht auf Rennspiele. Er ist Teil des McLaren-Teams und seine Arbeit und die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen auch dem Rennstall und der Entwicklungsabteilung.

Dass man beim Gamen Kompetenzen erwerben kann, die fürs Berufsleben wertvoll und wichtig sein können, ist also längst keine Jungenfantasie mehr. Durchs Spielen lassen sich zig Kompetenzen trainieren, insbesondere wenn man die Entwicklungen von Arbeit im 21. Jahrhundert berücksichtigt.

Daphne Bavelier, eine Neuropsychologin aus der Schweiz, beschäftigt sich seit langem mit der Bedeutung von Shootern für den Kompetenzaufbau und die Berufswahl. Sie sagt, so gut wie alles, was wir im 21. Jahrhundert tun, basiert auf der Interaktion mit Computern. Die von ihr beobachteten Spieler zeigten Verbesserungen auf allen Ebenen kognitiver Prozesse.

Vorbereitung auf die Arbeitswelt

Natürlich bereitet das Spielen digitaler Spiele entsprechend auf eine Arbeitswelt vor, die immer auf der Interaktion zwischen Mensch und Computer basiert. Wenn man den Blick jedoch etwas hebt und betrachtet, welche Kompetenzen für die Arbeitswelt von morgen notwendig sind, dann stellt man schnell fest, dass das Spielen digitaler Spiele alles andere als nur Zeitvertreib ist.

Das World Economic Forum hat eine Liste mit Kompetenzen veröffentlicht, “10 skills you need to thrive in the Fourth Industrial Revolution”, die alle gut in der Auseinandersetzung mit Spielen wiederzufinden sind. Komplexe Probleme zu lösen, sich mit anderen zu koordinieren und kognitiv flexibel zu sein, sind nur einige der Kompetenzen, die man sich vom Arbeitnehmer der Zukunft erwünscht.

Und wenn man Spiele spielt, wie zum Beispiel Factorio, Europa Universalis, Infinifactory oder Rimworld, dann findet man schnell die entsprechenden Situationen dort wieder. Chirurgen und Piloten trainieren schon längst mit Simulationen und Spielen und profitieren nachweislich davon. Aber das Trainieren mit Spielen geht potenziell darüber hinaus. Und das weiß man inzwischen auch in Bereichen der Wirtschaft und man möchte mehr darüber wissen.

Die Wirtschaft versteht es

Der CEO von T-Mobile John Legere hat in einem Interview bestätigt, dass für ihn Skills, die in Spielen erworben wurden, relevant sind und dass er von Bewerbern erwartet, dies auch in ihrem Lebenslauf auszuführen. Zudem werden Spiele bereits im Firmenkontext eingesetzt, um Inhalte und Kompetenzen zu vermitteln.

IBM hat eine Studie zum Thema erstellt mit dem Titel “Virtual Worlds, Real Leaders” und stellt fest, dass die Führungskompetenzen in Multiplayer Online Spielen durchaus passend sind für die Führungsaufgaben in Unternehmen heute. Vieles weist also darauf hin, dass das Spielen einen Mehrwert hat und durchaus positiv in der Biographie eines Bewerbers zu werten ist.

DDR Jake meinte zu seiner Einstellung bei Paradox Interactive, dass sie verrückt sein müssten, ihn zu engagieren. Vielleicht ist man verrückt bei Paradox. Vielleicht hat man aber auch nur erkannt, dass die Arbeitskräfte im 21. Jahrhundert ihre Kompetenzen durch Computerspiele schärfen und dass so besondere Begabungen entstehen, die uns hervorragend auf diese neue Arbeitswelt vorbereiten. Und Spielen ist keine Zeitverschwendung, sondern eine schlaue Investition in die Zukunft.


Titelbild © nappy

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Gast Kommentar

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Kommentare
  • Jacki#1

    18. Januar 2019

    Mit reinem Gaming seinen Lebensunterhalt zu verdienen ist wirklich sehr schwer, das habe ich nach Jahren des Lets Playens auch eingesehen 😀 Dennoch wusste ich immer schon, dass ich später mal irgendwas mit Games machen will und habe es deshalb auch nie als Zeitverschwendung betrachtet, und schlussendlich auch einen Job in der Game Dev Branche ergattern können 🙂 Gerade in Graz gibt es ja mittlerweile einige coole Firmen wie Bongfish oder Rarebyte, bei denen man sein Hobby zum Beruf machen kann.

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    • Clemens Istel#2

      19. Januar 2019

      Der Let’s play-Markt ist tatsächlich mehr als voll. Selbst die großen Channels meinen, dass die Chance, auf Twitch/YouTube weit zu kommen, schon seit ein paar Jahren vorbei ist. Besonders spannend ist ja auch, dass Games nicht nur einen Weg in die Gamesbranche öffnen können. Alle damit verwandten Felder wie zB. Grafiker rücken dadurch näher.

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