Fortnite unter Beschuss: Psychologe rät vom Spielen ab

Der Battle Royale-Shooter Fortnite hat die “Gewalt in Spielen”-Debatte noch nicht ausgestanden. Diesmal schießt ein US-amerikanischer Psychologe gegen das Spiel. Wir zerlegen seine Argumente. Von Louis Oelmann.

Vor einer Woche erschien der Artikel “Fortnite, Boys, and Self-Control” des Psychologen Leonard Sax auf der Website Psychology Today. Fünf Tage später kommt er über den Games-Standard auch in Österreich an. Die Botschaft: “Lasst eure Kinder kein Fortnite spielen.” Als Kinder werden hier wohlgemerkt alle Personen unter 18 Jahren bezeichnet.

Das wollen wir nicht einfach stehen lassen und schauen uns deshalb an, was an seinen Argumenten dran ist.

 

“Playing video games excessively undermines school performance, increases distractibility, and erodes the parent-child relationship”

Ich will nicht abstreiten, dass diese Zusammenhänge existieren. Jedoch stellt sich hier die Frage, ab wann das Spielen als “exzessiv” bezeichnet werden kann.

Sind zwei Stunden schon zu viel? Oder sprechen wir von ungesunden Zeitperioden, die genauso bei anderen Aktivitäten zu den genannten Folgen führen können. Wer vier Stunden am Tag Fußball spielt, anstatt zu lernen, wird auch schlechtere Noten bekommen. Hier stört also weniger der Inhalt, als vielmehr der unterliegende Ton, der Videospiele alleine in diese Rolle zwingt.

 

“Playing video games where the objective is to kill people – games such as Fortnite – over time, desensitizes gamers to violence”

Jaja, die Gewaltdebatte. Ein weiteres Mal wird Gamern pauschal vorgeworfen, dass sie nicht mit Gewalt in Videospielen umgehen können. Dabei betont selbst die angeführte Studie, dass nur das Risiko einer Desensibilisierung erhöht wird und dass Aggressivität die Folge sein könnte. Sax stellt das als Fakt dar, der auf alle Spielenden zutrifft. Nicht cool.

Vor allem bietet die Studie sogar einen Lösungsansatz: das Gespräch mit den Eltern. Natürlich muss man sich als Elternteil mit dem auseinandersetzen, was das Kind da am Bildschirm tut. Bringt man dem Kind den richtigen Umgang mit solchen Spielen bei, sind die Risiken fast schon nichtig.

 

“The American Academy of Pediatrics has concluded that games ‘in which killing others is the central theme […] are not appropriate for children.’”

Nochmal zur Erinnerung: “Children” bezieht sich hier auf alle Personen, die unter 18 Jahre alt sind. Sehr pauschalisierend also. Ein 7-jähriges Kind findet sich hier auf der gleichen Stufe wie ein 17-Jähriger. Und was “appropriate”, also angemessen ist, bleibt darüber hinaus sehr subjektiv. Von Mensch zu Mensch ist es unterschiedlich, wie man mit bestimmten Themen umgehen kann. Ohne Frage ist es Quatsch, einem 12-Jährigen Call of Duty in die Hand zu drücken.

Dieselbe Logik aber auf ein Fortnite zu übertragen, das auf mehr als nur einer Ebene für 12-Jährige freigegeben wurde, scheint doch etwas weit hergeholt. Es wird schon seine Gründe haben, warum PUBG laut USK ab 18 ist und Fortnite nicht. Dennoch sollten sich Eltern, wie bereits erwähnt, mit den Spielen beschäftigen und am Ende mit dem Kind zusammen entscheiden, ob und wie mit dem Spiel umgegangen werden sollte.

Hilfestellungen dazu bieten Stellen wie BuPP.at in Östereich oder spielbar.de in Deutschland. Die BuPP stuft Fortnite übrigens für 12 Jahre ein. Laut den Deutschen ist es ab 14 spielbar.

 

“If you are the parent of a child or teen, and your kid wants to join the lemmings, what should you do?”

An dieser Formulierung regt mich besonders eins auf: die Lemminge. Willenlose Kreaturen, die der Masse folgen, ohne über das nachzudenken, was sie gerade tun. So sieht Kollege Sax uns Gamer also. Scheint schon etwas von Vorurteilen behaftet. Ein Grund mehr, seine Aussagen kritisch zu hinterfragen.

 

“Kids need to learn face-to-face social skills. They need to be physically active, preferably outdoors. They need to get a good night’s sleep. A kid obsessed with Fortnite is less likely to be doing any of these things.”

Logisch, Sucht ist nie etwas Gutes. Hier wird es aber so dargestellt, als ob Fortnite die Wurzel allen Übels wäre. Es ist aber immer noch der Umgang damit. Sax scheint aber der Meinung zu sein, dass Videospiele grundlegend süchtig machen und deshalb kein Kind Fortnite spielen sollte.

Zudem blendet er komplett den Aspekt der Folgekommunikation zwischen den Spielern aus. Wenn die sich z.B. an Schulhöfen austauschen, geschieht das tonnenweise face-to-face mit vielen anderen Charakteren, die das gemeinsame Hobby verbindet.

 

“I’m not suggesting that you ban video games. But it’s the parent’s job to set reasonable limits.”

Warum muss man gleich mit der Gewalt-Debatte um sich werfen, wenn die Grundmessage eigentlich ist: “Eltern, passt auf, was eure Kinder machen”? Grenzen müssen immer gesetzt werden. Unabhängig davon, ob in einem Spiel Gewalt gezeigt wird.

Trotzdem wird Fortnite als Grund für die Inkompetenz mancher Eltern herangezogen. Ist es denn auch die Schuld eines Pornofilms, wenn Eltern die entsprechende DVD frei zugänglich für Kinder herumliegen lassen?

 

“No more than 40 minutes a night on school nights. No more than an hour a day on weekends.”

Sax schreibt, er habe Dutzende Studien herangezogen, um basierend darauf Guidelines zu erstellen. Wie genau er zu den 40 Minuten bzw. der Stunde gekommen ist, bleibt aber unklar.

Aber hat er schonmal daran gedacht, dass 40 Minuten teilweise nicht annähernd ausreichen? Würde er auch vorschlagen, nur 40 Minuten eines Filmes pro Tag zu schauen? Oder sind Filme am Stück in Ordnung? Würde es nicht mehr Sinn machen, stattdessen Pausentage einzuführen? Fragen über Fragen.

 

“No games where the objective is to kill people. That means no Fortnite, no Call of Duty, no Grand Theft Auto. NBA Live is fine. Wii Bowling is fine. Madden NFL Football is fine. Candy Crush is fine.”

Es geht also doch nur ums Töten. Lasst eure Kinder im Candy Crush-Sumpf versinken, aber bloß keine fünf Minuten Fortnite spielen. Dabei kann Candy Crush genauso abhängig machen und erfüllt somit alle Punkte außer die Desensibilisierung gegenüber Gewalt. Teilweise ist es sogar noch schlimmer, da Mobile-Games verstärkt mit Glücksspiel-Mechaniken arbeiten.

 

“And if your kid absolutely insists that only simulated combat will satisfy him, then take him out for an afternoon of paintball. Prioritize the real world above the world of video games.”

Vielleicht liegt das Problem ja nicht beim Spiel, sondern beim Kind bzw. der Erziehung. Nur so ein Gedanke. Ich jedenfalls würde mich fragen, was ich falsch gemacht habe, wenn mein Kind nur durch simulierte Kriegsführung befriedigt wird. Zudem wird erneut die virtuelle Welt als grundsätzlich schlecht für die Kinder dargestellt. Denn: Die reale Welt sei immer vorzuziehen. Außerdem sollte angemerkt werden, dass Paintball in manchen Ländern wie Österreich erst ab einem gewissen Alter erlaubt sind. Hierzulande ab 16.

Alles in allem kann man sich bei der Art und Weise, wie Leonard Sax hier argumentiert, nur an den Kopf fassen. Die eigentlich sehr positive Grundbotschaft “Passt auf, wie lange und was eure Kinder spielen” geht im allgemeinen Stigmatisieren der Videospiele unter. Kein Wunder, wenn Eltern sich nicht sicher sind, was sie tun sollen.


Titelbild © Epic Games

 

Autor/Autorin

Louis Oelmann

Wenn es irgendwo etwas zu looten gibt, kann Louis nicht weit sein. Dementsprechend verbringt er auch viel Zeit in Spielen wie Borderlands oder Skyrim. Wenn Skags und Drachen ausgerottet sind, schreibt er Artikel und steht auch immer wieder gerne vor und hinter der Kamera.

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