Far Cry 5: Plattform für Pseudomedizin

In Far Cry 5 können wir zu Homöopathie greifen, um uns Boni zu verschaffen. Das ist bedenklich und bietet eine Plattform für eine gefährliche Industrie. Von Florian Born.

In der aktuellen Installation der Far Cry-Reihe müssen wir eine christliche Apokalypsen-Sekte bekämpfen. Nach alter Far Cry-Manier schleichen, ballern und sprengen wir uns dabei durch eine offene Welt voller Aussichtspunkte, feindlicher Basen und Getier im Unterholz.

Die christlichen Fanatiker sind hier aber nicht die einzigen, die mit Starrsinn an nicht bewiesene Thesen glauben. Auch wir werden durch eine Spielfunktion dazu angehalten. Eine Spielfunktion, die mich – gelinde gesagt – erstaunt hat, als ich darüber gestolpert bin:

In Far Cry 5 bekommen wir Boosts durch Homöopathie.

Nicht durch konventionelle Medikamente in den typisch amerikanischen orangen Döschen. Auch nicht durch irgendwelche netten Naturheilmittel, die wir aus gefundenen Kräutern zusammenpanschen. Nein. Durch Homöopathie.

Vier Mittel bringen uns kleine Boosts im Spiel. The Furious erhöht unseren Nahkampfschaden, The Fast unsere Geschwindigkeit, Ultimate Survivor unsere Resistenz gegen Schaden und Ultimate Hunter taggt automatisch Feinde und Tiere in der näheren Umgebung.

Vier Typen von Homöopathie findet man in Ubisoft. Sie wirken. Auch wenn sie das nicht können sollten.

So weit, so vernachlässigbar. Man kann das Spiel ja auch locker ohne die Gimmicks durchzocken. Aber da bleibt diese Kleinigkeit, dass die Homöopathie in Far Cry 5 überhaupt wirkt. Das sollte nicht sein, denn – Überraschung – Homöopathie hat nur eine wissenschaftlich bestätigte Wirkung: den Placebo-Effekt.

Studien über Studien

Zumindest in unserer schnöden alten Realität hat Homöopathie keine Wirkung. Dabei handelt es sich nicht um eine Meinung meinerseits, sondern um einen mehrfach wissenschaftlichen bestätigten Fakt. Falls ihr mir nicht glaubt, dann schaut gerne hier, hier, hier, hier oder hier. Oder googelt es.

Lasst mich ein paar Worte zur angeblichen Wirkung der Homöopathie verlieren. Also jener abseits des Placebo-Effekts. Grundlegend “funktioniert” sie durch zwei Prinzipien: 1. Gleiches heilt Gleiches. 2. Verstärkung durch Verdünnung oder Potenzierung.

In der Praxis schauen diese beiden auf den ersten Blick doch recht anständigen Prinzipien so aus, dass Krankheiten eher mit Farbenleere geheilt werden, als mit “Gleichem”.

Und was die Sache mit der Verdünnung betrifft: Der Effekt von Homöopathie ist ungefähr vergleichbar mit dem einer Aspirin, die man im pazifischen Ozean auflöst. Auch wenn Homöopathen der Meinung sind, dass der Effekt eines Stoffs größer wird, je weiter man ihn verdünnt, hilft die Aspirin dann doch nicht mal bei den leichtesten Kopfschmerzen.

Was also in den hochgepriesenen – und ebenso hochbepreisten – Globuli steckt, ist ergo auch das, wonach sie schmecken: Milchzucker. Laktose-Intolerante bekommen Bauchweh, aber viel mehr passiert nicht.

“Getestet” wird Homöopathie übrigens nicht in wissenschaftlichen Studien sondern durch persönliche Erfahrungen. Mehr dazu hier.

Spiellogik

Aber zurück zum fiktiven Hope County, wo Homöopathie durch eine Entscheidung der Devs bei Ubisoft Montreal und Toronto ja doch eine Wirkung hat. Das ist ein Problem:

Wenn das Spiel Homöopathie mit Wirkung zeigt, dann kann das dazu führen, dass der Glaube der Menschen daran verstärkt wird. Immerhin assoziiert man dadurch Homöopathie mit einer Wirkung.

Man könnte nun sagen, dass in The Witcher 3 auch die Sehkraft mit einem Heilmittel verstärkt wird. Und in den meisten RPGs kann sich auch mit Zauber heilen. Das funktioniert auch nicht im echten Leben und niemand regt sich auf! Und außerdem: In Far Cry erschießt man Leute. Das ist auch nicht gut! Wieso schreib ich nicht darüber? Obwohl… Hab ich doch.

In beiden Fällen ist die Ausgangslage aber eine ganz andere. Auf der einen Seite haben wir Praktiken, bei denen mindestens 99 Prozent der Gesellschaft wissen, dass sie nicht funktionieren. Es gibt keine Sehverstärkungstränke und keine Magie. Wir wissen das. Alle.

Auf der anderen Seite ist die Sache ganz ähnlich. In jeder menschlichen Gesellschaft ist Töten etwas Negatives. Das findet sich in jeder Ethik. Und auch die wissenschaftlichen Hintergründe sind klar definiert: Schieße ich mit meiner Waffe auf jemanden, stirbt der und ich lande im Gefängnis und/oder am Stuhl. Je nach Land.

Homöopathie ist anders

Im Fall der Homöopathie ist die Lage aber anders. Entgegen der Faktenlage sind Globuli und Co. immer noch umstritten. Es gibt Leute, die darauf schwören, Leute, die sich nicht sicher sind und auch welche, die tatsächlich nachgelesen haben und wissen, dass das Zeug nicht wirkt.

Wenn die Mittelchen in Far Cry nun eine Wirkung zeigen, ist das ein weiterer Punkt auf der Strichliste der Globulisten. Ein weiterer kleiner Punkt, der für sie die hochverdünnten Mittel mit Wirkung gleichsetzt. Die Unentschlossenen werden ebenfalls weiter in Richtung Homöopathie gedrängt.

Und auch dazu könnte man nun sagen: Ist doch egal. Wenn sich ein paar Leute teure Zuckerkügelchen einwerfen wollen, sollen sie doch. Aber die Sache ist nicht so simpel.

Zum Beispiel sind einige Kinder schon durch die Einnahme von homöopathischen Mitteln gestorben. Das liegt daran, dass sie Mittel mit Belladonna (oder Tollkirsche) genommen haben. Man musste natürlich eine schwächere Dosis verabreichen – Tollkirsch ist schließlich giftig. Nach dem Prinzip der Potenzierung führte das aber dazu, dass nicht weniger Tollkirsche drin war, sondern mehr. Mit fatalen Folgen für die Kinder.

In Österreich und Deutschland zahlen manche Krankenkassen sogar für diesen Milchzucker-Blödsinn. Es fließt also Geld dafür aus deren Budget. Geld, das wir für tatsächlich wirksame und medizinisch notwendige Maßnahmen verwenden könnten.

Fazit

Langer Rede kurzer Sinn: Egal aus welchen Gründen – vielleicht sogar aus bewusst satirischen –, Ubisoft propagiert mit seiner Entscheidung, Homöopathie in Far Cry 5 eine Plattform zu geben, ein Pseudoheilmittel, dessen einzige festgestellte Wirkungen die folgenden sind: 1. Der Placebo-Effekt. 2. Geldvernichtung. Und 3. Körperlicher  Schaden.

Nicht cool, Ubisoft. Gar nicht cool.


Bebilderung © Ubisoft

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

Kommentare
  • Marina#1

    31. Juli 2018

    Oh je, ich habe bei meinem Spielverlauf tatsächlich nicht gepeilt, dass diese Mittelchen Homöopathie sein sollen. Ich dachte, ganz nach der Far Cry Manier, dass es sich um irgendwelche „performance enhancing“ Drogen handelt.
    Wäre das nicht viel harmloser als Homöopathie? 😀 Allerdings glaube ich hier stark an einen satirischen Akt.
    Hab die aber allerdings auch irgendwie nie angewendet. Im Eifer des Gefechts (buchstäblich) habe ich vergessen, dass es die kleinen überhaupt Mittelchen gibt.

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    • Florian Born#2

      31. Juli 2018

      Hab sie bisher auch noch nicht verwendet. Hab im Kampf ja auch besseres zu tun, als mir irgendwelche Mittelchen einzuwerfen, wenn ich die Gegner auch so über’n Haufen ballern kann.

      Wahrscheinlich ist das eh mit einem Satire-Gedanken bei Ubisoft entstanden, aber ich muss ehrlich sagen, dass das in dem Fall einfach viel zu wenig auf die Fresse war, als dass man das hätte verstehen können…

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