Das bringen die Kanon-Änderungen in Schatten des Krieges

In Mittelerde: Schatten des Krieges hat Monolith Productions mehrfach Tolkiens Kanon übertreten. Laut einem Interview, um die Geschichte besser zu machen. Wir haben uns die Änderungen genau angeschaut.

Lasst mich schnell etwas vorausschicken, bevor ich mich auf den Kern des Themas stürze: Schatten des Krieges ist ein grundlegend gutes Spiel. Das Balancing der Feinde und auch das Gameplay sind großartig. Man merkt, dass Monolith viel Energie in das Nemesis-System und den freien Kampf gegen die Orks gesteckt hat.

Krieg in den Tiefen von Mordor zu führen, macht ergo auch enormen Spaß. Insbesondere auch, weil mir kaum doppelte Orks begegnet sind und die meisten Kämpfe eine tatsächliche Herausforderung darstellen, für die man sich vorbereiten will. Klingt bekannt?

Natürlich klingt es bekannt. Genau das Gleiche lässt sich auch über den Vorgänger sagen. Leider haben Monolith und Warner aber auch eine andere Tradition fortgeführt. War die Story bei Mordors Schatten noch ein wenig unterdurchschnittlich, so ist sie nun (Euphemismus!) schwach.

Seichte  Story

Weder Talion noch einer der anderen Charaktere konnte bei mir irgendwelche Gefühle hervorrufen. Außer den Orks Brûz und Ratbag zumindest. Die haben mich wenigstens zum Schmunzeln gebracht.

Isildur kann kein Nazgûl sein. Punkt.

Der wirkliche Todesstoß für die Geschichte lag dann aber in den völlig unnötigen und an den Haaren herbeigezogenen Veränderungen in Tolkiens Kanon. Es gibt Aspekte, die lässt man sich dabei noch einreden:

Die Kankra kann sich neuerdings in eine Menschengestalt verwandeln? Die Schaffung eines neuen Rings? Beides kann man noch irgendwie erklären. Nur weil niemand darüber Bescheid wusste, heißt das nicht, dass es passieren könnte. Mit diesen Elementen dehnt Monolith den Kanon also zwar, aber es lässt sich noch irgendwie einfügen.

Dabei belassen sie es aber nicht.

Unlogische Änderungen

Dass Helm Hammerhand als Nazgûl nicht funktionieren kann, haben wir schon abgehandelt. Dazu kommen aber noch zwei andere Elemente. (Achtung: Ab hier kommen ein paar Spoiler auf euch zu.)

Zum einen der erste Schauplatz des Spiels: Minas Ithil. Am Anfang des Spiels muss man den Fall der gondorianischen Stadt verhindern. Man scheitert und sie fällt den Nazgûl unter dem Kommando des Hexenkönigs in die Hände. Danach heißt sie Minas Morgul. Das sollte nicht sein. Warum?

So sollte die Stadt schon am Anfang des Spiels aussehen. Eigentlich.

Minas Ithil ist schon im Jahr 2002 des dritten Zeitalters in die Hände der Nazgûl gefallen. Knapp tausend Jahre vor den Geschehnissen des Hobbits und damit auch von Schatten des Krieges.

Selbst das erblasst aber in der Dreistigkeit der nächsten Änderung. Haltet euch fest! Halt ihr euch fest? Gut. Im Spiel ist Isildur einer der Nazgûl. Also der Typ, der Sauron des Rings und seiner Mächte beraubt hat. Warum das ein Problem ist? Sauron hätte ihm nie einen Ring geben können, weil er danach nicht einmal eine physische Form annehmen konnte.

Nutzlose Änderungen?

So viel dazu. Laut Monolith sind diese Änderungen ja geschehen, weil man die Story damit besser machen wollte. So wie man ja auch bei den Filmen ein paar Sachen verändert. Michael de Plater hat das noch vor dem Release in einem Video gegenüber Gamespot angemerkt. [Anm.: Auf Anfrage von Screaming Pixel hat Warner Bros. Interactive noch einmal bestätigt, dass sie hinter dieser Aussage stehen.]

Ist das der Fall? Meine ehrliche Meinung: Nein. Die Änderungen haben keine Auswirkungen auf die Geschichte, außer, dass sie Tolkien-Fans wütend machen.

Minas Ithil könnte man durch eine eigens geschriebene Festung ersetzen. Im Norden oder Süden. Und die beiden Nazgûl? Neue Charaktere mit eigenen Hintergründen zu erschaffen, hätte wunderbar funktioniert. So aber haben sie es nicht nur geschafft, einem ganzen Fandom auf den Fuß zu treten, sondern sich zugleich eine ohnehin schon schwache Geschichte völlig ruiniert. Ich persönlich war ehrlich kurz davor, den Controller gegen “Isildur” zu werfen. Andere werden das Spiel aus diesem Grund vermutlich boykottieren.

Schade drum

Dabei ist das eine Schande. Das Spiel hätte wie oben erwähnt Potential gehabt. Das Gameplay und das freie Spiel sind großartig. Mit einer solchen Aktion schießt sich Warner aber selbst ins Knie.

Insbesondere, wenn man bedenkt, dass ihre Intention ja wahrscheinlich eine ganz andere war: Bekannte Charaktere einzubauen, damit das Spiel den Fans mehr zusagt. Fanservice gewissermaßen. Nur eben mit der Brechstange, ohne auf den bestehenden Kanon zu beachten. Dass das in die Hose geht, sollte keine Überraschung sein…


Bebilderung © Warner Bros. Interactive

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!