Wreckfest weiss nicht, was es will

Wreckfest ist der neueste Eintrag in einer langen Historie von Crash & Racing-Games. Aber welche Seite überwiegt? Das Spiel weiß es selbst nicht.

Die Frage scheint auf den ersten Blick völlig deplatziert. “Völliger Humbug! Es geht natürlich um beides gleichermaßen”, möchte man meinen. Doch Wreckfest hat in dieser Hinsicht eine Identitätskrise. Es weiß selbst nicht, ob es ein würdiger Nachfolger von Destruction Derby und Flatout oder doch lieber ein klassisches Rennspiel sein will.

Was willst du von mir?

Dieser Zwiespalt wird im Objective Design deutlich. Grundsätzlich ist das Spiel wie ein klassisches Racing-Game aufgebaut. Eine Strecke, großes Teilnehmerfeld, Classement und Rundenzeiten. Einfach Erster werden und die Sache hat sich. Klare Regeln: Tu was du kannst, um das Rennen zu gewinnen.

Doch genau hier liegt das Problem. Crashen ist zwar grundsätzlich erlaubt, hält aber vom effektiven Rennfahren ab. Weil Wreckfest aber unbedingt Destruction Derby sein will, bekommt jedes Rennen noch zusätzliche Bonusaufgaben. So müssen wir etwa eine bestimmte Zahl an Gegnern von der Strecke drehen lassen oder eine gewisse Menge Schaden an den anderen Fahrzeugen anrichten.

Wreckfest verwirrt mit seinen Objectives

Die Meldung „Herausforderung fehlgeschlagen“ erscheint irritierenderweise immer

Gleichzeitig erwarten uns Zusatzziele wie “Führe mindestens 2 Runden lang” oder “Beende das Rennen unter den Top X”. Dieses ständige Hin und Her wirkt aufgesetzt und ist noch dazu nicht gerade einsteigerfreundlich. Wer in seinem ersten Rennen versucht, sich an die Crashaufgaben zu halten, wird nur schwer am Treppchen stehen.

Erst nach und nach sammeln wir durch die (erfolgreiche) Teilnahme an den verschiedenen Events Erfahrung und Credits, um unsere Karre zu tunen. Nur wer die Bonusaufgaben erfüllt und dabei auch das Event als Sieger verlässt, erhält die volle Punkt- und Sternchenzahl. Und nur wer das bei allen Events einer Liga schafft, schaltet die nächste Liga frei.

Positives und negatives Chaos

Wreckfest macht dabei durchaus Laune. Das Spiel sieht hübsch aus, wenngleich ich nicht entdeckt habe, wieso meine PC-Lüfter bei höchsten Grafik-Settings einer Flugzeugturbine nacheifern. Auch die Fahrzeuge steuern sich sehr angenehm. Aber das Eventdesign trübt den Gesamteindruck doch merklich.

Wenn sich ein Spiel wie Arbeit anfühlt, läuft etwas grundlegend falsch. Klar, auch in einem Gran Turismo absolvierten wir diverse Rennen mehrfach, um genug Credits für neue Reifen oder den nächsten Le-Mans-Flitzer zusammenzukratzen. Wreckfest will aber kurzweilig sein. Es will, dass wir das detaillierte Schadensmodell ausreizen. Der Drang, auf engen Strecken einfach in den Gegenverkehr zu brettern, um sich an virtuellen Überschlägen und haufenweise Blechschäden zu ergötzen, ist da.

Klassische Arena-Derbys sind das Highlight von Wreckfest

Klassische Arena-Derbys sind das Highlight von Wreckfest

Dazu kommen auch diverse Gimmick-Events. Unser erstes klassisches Destruction Derby bestreiten wir mit Rasenmähern. Als wir das gute Stück in einem weiteren potentiellen Crash-Fest steuern, lässt die Freude aber schon wieder nach.

Dabei hätte der Schauplatz jede Menge Potential. Denn der 8-förmige Kurs ist ein Klassiker der Crash-Rennen. Als Objective trägt uns das Spiel aber auf, als Erster durchs Ziel zu kommen. Dank geringer Rundenanzahl dehnt sich das Feld auch nie weit genug, um jemals Unfälle an der Kreuzung zu provozieren. Dennoch liegen schon nach der ersten Runde geschrottete Rasenmäher von Konkurrenten im Weg und wir fragen uns ernsthaft, wie es dazu kommen konnte.

Ein weiterer Versuch an die Absurditäten (und damit Stärken) eines Flatout heranzukommen, ist auch das erste Gimmick-Rennen der zweiten Liga, wenn wir uns endlich durch alle Aufgaben der ersten gekämpft haben. Wir starten in einem popeligen Dreirad-Moped vom letzten Platz und müssen uns auf einem engen Ovalkurs durch ein Feld von über 20 amerikanischen Schulbussen kämpfen.

Wreckfest kann Eskalation

Was kann da schon schiefgehen?

KI, Physik-Engine und Sounddesign führen dabei zwar zu jeder Menge spektakulärer Crashes, aber ebenso oft auch zu einem Neustart der Mission. Wir sollen das Rennen schließlich nicht nur gewinnen, sondern für das Bonus-Objective auch noch mit 50 Metern Abstand zum Zweiten über die Ziellinie tuckern.

Auch im Multiplayer überzeugt Wreckfest nicht restlos. Spieler sind zwar genügend vorhanden, die fahren dummerweise aber eben auch mit. Wie das in der ersten Kurve nach dem Start endet, kann sich jeder denken. Eine knappe Handvoll fährt vorne Weg. Der Rest verschmilzt erst einmal zu einem gigantischen Klumpen Altmetall.

Wer nicht direkt an dieser Stelle zum Zuschauer gecrasht wird, ist fortan bemüht, nicht den kleinsten Stoß von einem Gegner zu bekommen. Über den Rest der ersten Runde hauchen noch einige Stockcars ihr Leben aus und dem weit auseinandergezogenen und ausgedünnten Feld stehen nun mehrere Runden ohne Action bevor.

Fazit

Die klassischen Arena-Derbys bleiben das Herzstück. Zu den gepflegten Metal-Klängen spielt sich dieser Modus noch am Lustigsten. Spektakuläre Crashes gepaart mit Taktik, damit das eigene Auto möglichst lange hält. Wreckfest besticht durch seine Optik und das grundlegende Prinzip eines Crashracers.

Wirklich glänzen kann das Spiel aber nur an den Stellen, wo wir der Eskalation freien Lauf lassen können. Der ständig wechselnde, aufgezwungene Fokus auf Crash oder Racing wirkt beengend und macht den Karriere-Modus mehr zu einem notwendigen Übel, um Autos und Tuningteile freizuschalten, als zum kurzweiligen Zeitvertreib bis zum nächsten Online-Rennen mit den Kumpels.

Auf Steam ist das Spiel bereits verfügbar. Auf PS4 und Xbox One kommt Wreckfest am 20. November. Abhängig vom Preis ist das Spiel jedenfalls einen Blick wert. Totales Chaos mit den Freunden in der Derby-Arena ist allemal drin.

[Anm.: Wir haben Wreckfest als Review-Exemplar erhalten. Das hat sich nicht auf die Berichterstattung ausgewirkt. Wir sagen es euch aber trotzdem.]


Bilder © Bugbear

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

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