Rape Day: Eine Geschmacklosigkeit wird Steams Zukunft bestimmen

Rape Day macht aktuell Schlagzeilen. Das Spiel ist ohne Frage geschmacklos. Im großen Ganzen geht es dabei aber um mehr als nur das Spiel. Es geht um die Zukunft von Steam. Von Florian Born.


UPDATE (7. März 2019)

Valve hat gestern Abend (20:45 Uhr) in einem Blogbeitrag bekannt gegeben, dass Rape Day (das Spiel, in dem es in diesem Artikel geht) nicht auf Steam erscheinen wird. Als Grund haben sie folgendes angegeben: „After significant fact-finding and discussion, we think ‚Rape Day‘ poses unknown costs and risks and therefore won’t be on Steam.“ Auf welche Kosten und Risiken Valve hierbei Bezug nimmt, geht aus dem Blogbeitrag nicht hervor. 


“Kontrolliere die Entscheidungen eines bedrohlichen Serienmörder-Vergewaltigers während der Zombie-Apokalypse. Belästige, töte und vergewaltige Frauen, wie du willst, um die Geschichte voranzutreiben. (…) Also überspring das Vorspiel und genieße deinen Rape Day. Du hast es verdient.”

Dieser verbale Durchfall, den ihr hier lest, ist die Beschreibung des Spiels Rape Day auf Steam. [Anm.: Link auf eigene Gefahr klicken.] In dem Visual Novel spielt ihr einen Mann während der Zombie-Apokalypse und könnt frei nach Herzenslust Frauen vergewaltigen. Alles natürlich in eine Geschichte eingebettet und das sogar mit über 7.000 Wörtern (28 Buchseiten), wie stolz weiter in der Beschreibung vermerkt ist.

Zu behaupten, dieses Spiel wäre eine Frechheit, ist wohl die größte Untertreibung dieses Jahres. Und wir haben erst März, also heißt das schon was. Rape Day ist Frauenverachtung und Misogynie in seiner absoluten Form und keine Erklärung, die der Entwickler auf seiner Seite veröffentlichen kann, wird dieses Faktum schönreden. Nicht, dass er es nicht versucht hätte.

“Argumente”

Zuerst kam natürlich das Argument der Meinungsfreiheit und Schaffensfreiheit auf und damit will ich mich nicht lange aufhalten. Er hat schließlich nicht unrecht. Es steht ihm frei, dieses Ding zu schaffen, wenn er aus völlig unverständlichen Gründen der Meinung ist, dass Videospiele viel zu wenige Vergewaltigungen beinhalten. Ich werde ihn und auch keinen seiner Anhänger hierbei umstimmen können.

Was ich aber aufbringen kann, ist sein zweites Argument: Gewalt sei in Spielen ja Gang und Gäbe. Warum also nicht Vergewaltigungen?

Diese Argumentation bringt das große Problem des Spiels in den Vordergrund. Gewalt, wie sie in Videospielen dargestellt wird, und die Vergewaltigungen, wie sie in Rape Day vorkommen sollten, sind nicht miteinander vergleichbar. Warum?

Gewalt ≠ Vergewaltigung

Weil in einem Call of Duty, einem GTA oder einem Skyrim Gewalt im Kontext eines Kampfes stattfinden. Zwei Personen kämpfen gegeneinander und letzten Endes gewinnt jene, die besser war. Hier ist niemand in einer höheren Machtposition, die er in Relation zum anderen ausnutzt.

Bei Rape Day – und auch bei Vergewaltigungen im Allgemeinen – schaut die Sache anders. Hier ist eine Person definitiv in einer Machtposition, die sie gegenüber der anderen missbraucht.

Man kann an dieser Stelle argumentieren: Das kommt doch auch in anderen Spielen vor. Ich tue etwas Schlechtes und nutze meine Machtposition gegenüber Schwächeren aus. Und das ist durchaus wahr. Aber wenn es vorkommt, wird es in einen Kontext gesetzt. Zum Beispiel bekommen wir ein Kopfgeld oder wir werden von NPCs gemieden.

Denkt an die bekannte Folterszene in GTA V. Diese findet 1) in einem verlassenen Lagerhaus statt und sogar die kriminellen Protagonisten sind keine Fans davon. 2) übernimmt mit Trevor jener Charakter die Folter, der ohnehin während dem gesamten Spiel als gestört portraitiert wird. Und 3) setzt er die Szene in dem Gespräch danach in einen moralischen Kontext und demonstriert einen Punkt. Jenen, dass Folter eine völlig nutzlose Tätigkeit ist, die nur dem Folternden dient und nicht der Informationsbeschaffung.

Und selbst, wenn diese Argumente nicht ausreichen, um zu zeigen, dass Rape Day ein verachtenswertes Spiel ist, gibt es da noch den Punkt, dass der Protagonist im Spiel nicht einfach nur Gewalttaten begeht. Er vergewaltigt Frauen. Auf brutale, grauenhafte Art und Weise.

Ein Drittel aller Österreicherinnen

Dieses Spiel erscheint, während in den USA immer noch eine von fünf Frauen im Laufe ihres Lebens Opfer von sexueller Gewalt wird. Es erscheint, während in Österreich im Jahr 2017 über 800 Vergewaltigungen zur Anzeige gebracht wurden und während laut der österreichischen Frauenberatung knapp ein Drittel aller Österreicherinnen Opfer sexueller Gewalt wurde.

Die Existenz von diesem Spiel zeugt von einem Hass gegen Frauen, der sich nicht in Worte fassen lässt. Auch wenn der Entwickler davon schreibt, er wolle damit nur eine Geschichte eines Antagonisten erzählen wie im Film Nightcrawler. Dargestellte Fantasien wie diese sind schon für mich beängstigend und ich will mir nicht vorstellen, wie eine Frau sich bei der schieren Existenz dieses Spiel fühlen muss.

Aber traurigerweise ist es nicht einmal die Existenz von Rape Day, die mich schockiert. Was mich schockiert, ist, dass dieses “Spiel” einen Platz auf Steam findet.

Ernsthaft, Steam!?

Steam ist mit seinen aktuell etwa 90 Millionen aktiven Nutzenden pro Monat der dominante Player in Sachen Spiele-Verkauf auf Computern. Keine andere Plattform kann da mithalten. Und dennoch hat Valve beschlossen, Spielen wie Rape Day einen Raum zu geben, damit potentiell 90 Millionen Menschen darauf zugreifen können.

Die Entscheidung dazu war natürlich nicht allein auf Rape Day bezogen, sondern kam schon im Juni 2018, als Valve beschloss, Spiele auf Steam nicht mehr zu kuratieren. Alles, was nicht explizit illegal sei oder nur darauf aus, Geld zu scheffeln, dürfe in Zukunft auf Steam landen.

Dieser Schachzug hätte einerseits sogar Pontius Pilatus ein anerkennendes Nicken abgerungen und hat andererseits für viele kritische Stimmen gesorgt. Stimmen, die vorhergesagt haben, dass dadurch die Qualität auf der Plattform sinken und die Anzahl an Spielen, die hart an der Grenze zum Illegalen entlangschrammen, steigen würde. Rape Day ist die Bestätigung dessen.

Ein Problem aus zwei Gründen

Das ist eine Entwicklung, die aus zwei ganz unterschiedlichen Gründen ein Problem darstellt:

Erstens schlägt Steam Valve mit seiner “Everything-Goes”-Mentalität in eine Kerbe, die auch andere Online-Dienste mit vielen Usern bestens zu bearbeiten wissen und verleugnet mit schon fast beeindruckender Kunstfertigkeit seine gesellschaftliche Verantwortung. Die hat Steam, auch wenn die Plattform sie nicht will. Die hat sie zusammen mit den 90 Millionen monatlichen Usern bekommen und damit muss sie nun leben.

Zweitens – und das wird Valve bestimmt wichtiger sein – steht Steam hier vor einer definitiven Entscheidung für die Zukunft der Plattform. Gibt man Rape Day einen Platz, wird das Spiel zum Präzedenzfall und mehr Games aus dieser Kategorie werden folgen. Das Resultat wird eine Seite sein, die noch mehr von minderwertigen Games geflutet wird, als es jetzt schon der Fall ist und damit mehr und mehr an Wertigkeit verliert.

Die ganze Seite wird darunter leiden, Leute werden Steam verlassen und damit werden auch die letzten größeren Publisher, die der Plattform noch die Treue halten, zur Konkurrenz bei Epic oder einem anderen Store abwandern. Oder – wie so viele andere – ihren eigenen aufmachen.

Eine große Entscheidung

Letzten Endes steht Steam also nicht nur vor der Entscheidung, einem geschmacklosen, frauenverachtenden Spiel einen Platz zu geben. Es geht noch nicht einmal um die Wahl zwischen Alles-Geht und teilweisem Ausschluss von Games. Für Steam geht es darum, in welche Richtung sie jetzt voranschreiten.

Entweder arbeiten sie sich zurück und werden wieder zu einer Plattform für gute Spiele. Oder aber Steam wird langsam aber sicher zu dem Ort für jene Spiele, die niemand anderes will.

Klar ist: Letztere Option ist in einer Welt, in der Qualität einen wieder wachsenden Stellenwert einnimmt und in der sich in einem Kampf um unsere Aufmerksamkeit niemand die Zeit für Schrott nehmen kann, nicht überlebensfähig.

Wir können also nur hoffen, dass das viele Melden des Spiels zu einer Sperre führt. In Deutschland zumindest ist das schon passiert, aber in Österreich ist es weiterhin online (Stand: 6. März, 16:00 Uhr).


Titelbild © Valve

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

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