Assassin’s Creed: Origins – Feinschliff für die Ubisoft-Formel

Der Ägyptenurlaub ist gebucht. Assassin’s Creed: Origins hat uns in seinen Bann gezogen. Nicht fehlerfrei, aber trotzdem eine neue Qualität von Open World.

Ubisofts neuer Blockbuster ist seit einem Monat auf dem Markt. Die Ubi-Formel ist in Assassin’s Creed: Origins deutlich zu sehen. Also wieder nur mehr vom Gleichen? Mitnichten! Dank Pressemuster konnten wir das Spiel ausgiebig testen.

Alle charakteristischen Elemente der Open-World-Schmiede finden sich im neuen Ableger. Sie wurden aber nicht einfach nur auf das Agypten-Setting umgelegt, sondern um eine Vielzahl an Aufgaben erweitert. Im Kleinen wie im Großen steckt so deutlich mehr Abwechslung in Assassin’s Creed: Origins.

Story

Aber beginnen wir am Anfang (kann ab hier Spuren von Spoilern enthalten). Wir schlüpfen in die Rolle von Bayek, einem Medjay. Das ist so etwas wie die der allgegenwärtige Freund und Helfer des Ägyptischen Volkes. Wo immer Not am Mann oder der Frau ist, nimmt er sich derer Probleme an.

Und davon gibt es jede Menge. Der böse Herrscher unterjocht das Reich. Einfache Bürger leiden unter hohen Steuern, die Kornkammern der Reichen sind voll, während das Volk hungert. Banditen streunen durchs Land. Sie plündern, erpressen und entführen zum Teil auch auf Befehl von oben. Haufenweise Quest-Potential.

Bayek reist aber nicht aus Nächstenliebe durch Assassin’s Creed: Origins. Noch vor den Ereignissen des Spiels zwang ein dunkler Kult Bayek und seinen Sohn, den Eingang zu einer geheimnisvollen Kammer zu öffnen. Als sich Medjay und Sohnemann befreien wollten, stieß einer der Kultisten Bayek mit dem Messer voraus gegen sein Kind.

Die gerechte Strafe?

Bayek und seine Frau Aya schwören Rache. Kultisten töten und alles wird gut. Wenig überraschend ist das Spiel nach so kurzer Zeit aber noch nicht vorbei. Die “Mörder” unseres Sohnes sind nur die Spitze des Eisberges in einer gigantischen Verschwörung. Nach der ersten Runde Attentate treffen wir Cleopatra. Sie will ihren Thron zurück und ist fest entschlossen, mit unserer Hilfe die Hintermänner und -frauen auszuschalten und Ägypten zu befreien.

Denken wir kurz an den ersten Teil der Reihe zurück. Damals waren alle Attentatsziele greifbar. Man wusste, auf wen man es abgesehen hatte. Assassin’s Creed: Origins bringt in diesem Punkt deutlich mehr Spannung in die Geschichte. Alle Verschwörer haben Codenamen und tragen zunächst Masken. Sherlock Bayek muss ihre Identität erst herausfinden.

Die Zwischenwelt vor dem Jenseits

In dieser Zwischenwelt schicken wir unsere Opfer endgültig ins Jenseits schicken.

Der grundlegende Plot klingt nach der antiken Variante von The Punisher. Die politischen Intrigen im Hintergrund peppen das noch ein wenig auf. Wirklichen Tiefgang bekommt die Geschichte allerdings nur in den Zwischensequenzen nach einem erfolgreichen Attentat. Unsere Opfer beteuern darin, sie hätten auch nur ihren Job gemacht.

Sie betteln und lassen uns durch ihre Motivation und ihre Geschichten plötzlich hinterfragen, ob die Welt wirklich nur so schwarz-weiß ist, wie sie anfangs scheint. Bayek zeigt sich hier und da irritiert, scheint wie wir Spieler ebenfalls zu zweifeln. Doch er und wir setzen unseren Rachefeldzug zunächst weiter fort. Mit Erscheinen dieses Artikels sind in unserem Playthrough acht der Verschwörer ausgeschaltet. Die Weltkarte ist gerade zur Hälfte aufgedeckt.

Nebenquests

Erst so wenig erforscht? Glaubt uns, das waren bereits verdammt viele Stunden. Assassin’s Creed: Origins bietet weit mehr als eine spannende Hauptstory. Die Welt ist prall gefüllt mit Beschäftigungen abseits der Befreiung Ägyptens. Die einen werden es als unliebsames Busywork sehen. Doch Ubisoft gelingt hier eine kurzweilige Mischung aus unterschiedlichsten Herausforderungen.

Da wären zunächst die klassischen Sidequests. Weil das altbekannte “Töte dies, sammle jenes” alleine aber nicht reicht, fährt Ubisoft auch noch einen dritten, vierten und zwölften Gang auf. Die Welt ist voller mysteriöser Schauplätze, die es zu erforschen gilt. Das Prinzip dahinter: Entdecke einen Ort und erfülle die dazugehörigen Objectives.

An dieser Stelle standen in der Erstversion des Textes zwei Seiten, die detailliert alle Nebenaufgaben beschrieben haben. Aber am besten findet ihr selbst heraus, was es im virtuellen Ägypten alles zu entdecken gibt. Ob rätselhafte Papyrusrollen oder Streitwagenrennen im Hippodrom – langweilig wird das garantiert nie.

Die kleinen und mittleren Dinge

Bei einem derart ausufernden Umfang bleiben Fehler leider nicht außen vor. Um das Fazit aber vorweg zu nehmen: Assassin’s Creed: Origins ist ein sehr gutes Spiel. Es beschäftigt nicht nur mit viel Abwechslung, sondern beweist sehr viel Liebe zum Detail und sogar Humor. Während einer Quest erfahren wir zum Beispiel von einem Warchief namens “Fat Homer”. Da mag wohl jemand die Simpsons.

Wie auch schon in Far Cry 4 bleibt das Spiel ob seines Umfangs aber nicht ohne Logikfehler. Beispielsweise überlistet uns ein Attentatsziel und lässt uns kurzerhand bis zum Hals in der Wüste eingraben. Unser Equipment ruht in einer Truhe im nächsten Soldatencamp. Bis auf die Armschiene mit der versteckten Klinge. Der ach so kluge Gegenspieler hat uns also genau jenes Instrument gelassen, mit dem wir unserem “Beruf” nachgehen.

Der Hauptcharakter an sich wirkt ebenfalls irritierend ambivalent. Getrieben vom Rachewahn findet er trotzdem Zeit in Ruhe mit Bauern zu plaudern und ihnen ihr Getreide auf den Karren zu laden. Er betrinkt sich sogar mit einem alten Freund in einer Bar, obwohl Ägypten dringend seine Hilfe bräuchte und all die Verschwörer zu beseitigen wären.

Niemand schöpft verdacht in AC: Origins

Verfolgen? Nö, ich putz‘ hier nur

Aber auch die NPCs agierien beim besten Willen nicht immer logisch. Indiz dafür ist beispielsweise folgende Mission: Der Hafenmeister von Stadt X ist untergetaucht. Er will sich den Steuerauflagen des Pharao nicht beugen und hat nun dessen Späher am Hals. Bayek befragt sämtliche Händler nach seinem Verbleib. Sie geben inkonsistente, ausweichende Antworten, um den Hafenmeister nicht zu verraten. Bei Einbruch der Dunkelheit machen sich drei von ihnen zum Versteck desselben auf.

Wir verfolgen sie kurzerhand. Normalerweise gäbe es an dieser Stelle in Spielen einen Abstandsmesser, oder irgendeine Mechanik, die dafür sorgt, dass wir nicht auffallen dürfen. Stattdessen traben wir im Gleichschritt zwischen den drei Händlern einfach mit. Der neugierige Mann mit der blutigen Rüstung, dem Bogen und den zwei Schwertern hat sicher nur zufällig den gleichen Weg. Umso komischer wirkt diese Quest im Hinblick darauf, dass scheinbar ganz Ägypten unseren Namen kennt. Selbst jene NPCs, denen wir uns nicht vorgestellt haben.

Pferde sind in Origins Bergsteiger

Unser Gaul kommt vermutlich aus einer Bergregion

Mechanisch und technisch lassen sich noch andere Ungereimtheiten finden. Ruft Bayek sein Reittier, erscheint das immer aus dem Off der Kamera. Es hat außerdem panische Angst vor Flüssen und will, eventuell noch verständlich, nicht mit Bayek am Rücken schwimmen. Unser Kamel scheut, wirft uns ab und wir schwimmen alleine ans andere Ufer. Dort rufen wir dann das feige Vieh und es steht plötzlich wieder neben uns. Simsalabim!

Wohlgemerkt, sprechen wir hier von Patchversion 1.05. Schwebende Vasen und Steine gibt es ebenso wie Waypointprobleme. In einer Quest kämpft Bayek mit einem Verbündeten gegen anstürmende Banditen. Nach jeder Welle eilt das Duo zum nächsten Schauplatz. Dabei schiebt unser Partner gerne einmal etwas Kardio-Training ein, indem er um Säulen und Mauerstücke herumläuft, statt sich einfach nach links zu drehen und geradeaus zu laufen.

Bayek 1, Kopfgeldjäger 0

Die mächtigen Phylakes sind eine von vielen Herausforderungen in AC: Origins

Das Balancing mancher Gegner könnte ebenfalls noch ein wenig Politur brauchen. Trotz massivem Levelvorteil Bayeks können auf leichtester Schwierigkeitsstufe manche davon richtig knifflig werden. Wer sich zu vielen Raubtieren auf einmal stellt, wird schlicht von deren Angriffen übermannt, ohne je eine eigene Attacke landen zu können.

Auch eine besondere Form von Reitergruppe bringt uns sehr schnell ans untere Ende der Lebensenergie. Ein Nahkämpfer mit Schild hält uns in Schach, während uns zwei Reiter mit Feuerpfeilen buchstäblich einheizen. Spielerisch sind beide Situationen vermeidbar, auf höheren Schwierigkeitsgraden aber mit Sicherheit der sofortige Tod.

Fazit

Aber all die kleinen Macken nimmt man in Kauf. Wir sind es gewohnt, dass fehlerfreie Spiele so kurz nach dem Release eine Seltenheit geworden sind. Dafür bietet Assassin’s Creed: Origins eine überwältigende Vielfalt an Aufgaben. Die Hauptstory hält uns neugierig, die Sidequests lassen uns die Umstände noch mehr spüren. Wir fühlen mit der Welt.

Entdecker kommen abseits davon voll auf ihre Kosten. Die abwechslungsreiche Auswahl bleibt auch nach vielen Stunden unterhaltsam. Ein Grab mit Sprungrätsel, ein herausfordernder Kampf mit dem Kopfgeldjäger oder mit dem Streitwagen zwischen Feuersäulen hindurch brettern. In Ägypten gibt es jede Menge zu erleben.

Cooles Feature: Der Fotomodus in AC: Origins

Mit dem Fotomodus gelingt in AC: Origins so mancher lustige Schnappschuss

Das liest sich vielleicht ein wenig wie die Werbung eines Reisebüros. Empfehlen können wir diesen Trip aber auf alle Fälle. Vor allem auch, weil das Spiel sogar ohne all seine Aufgaben Spaß macht. Dank Fotomodus können die schönsten Orte und Momente jederzeit verewigt werden. Was gibt es Schöneres als nach einem erfolgreichen Attentat auf der Spitze des Leuchtturms den Sonnenuntergang über Alexandria zu genießen?

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!