Tomb Raider oder: Der Film der verpassten Möglichkeiten

Alicia Vikander hat bei den Dreharbeiten von Tomb Raider eine Menge auf sich genommen. Leider wird das Gesamtwerk ihrem Einsatz nicht gerecht.

Vorbei sind die Zeiten der supersexy Actionheldin. Tomb Raider versucht wie auch schon die Spielvorlage einen zeitgemäßeren, reiferen Ansatz. Im Spiel wie im Film gelingt das aber nur in Ansätzen. Dabei schlägt die Umsetzung genau an einer klassischen Frage für Videospielverfilmungen fehl.

Bereits in einem früheren Artikel haben wir versucht, ein Erfolgsrezept für Videospielfilme zu benennen. Kurz: Entweder übersetzt man einen markanten Aspekt eines Spiels, wie in Tomb Raiders Fall die charismatische Protagonistin, in ein neues Setting oder man versucht eine gelungene Spielvorlage nur mit den notwendigen Änderungen ob des Mediums exakt nachzustellen.

Wenngleich die beiden Filme mit Angelina Jolie als Lara Croft durchaus ihre Kritik verdient haben, war dort zumindest die Hauptfigur mit dem selben Coolness-Faktor ausgestattet wie ihre virtuelle Vorlage – allerdings mit einer gehörigen Portion 90er-Jahre Actionfilmcharakter. Plot und Setting waren nicht vollends ausgegoren, zeugten aber immerhin von Mut zu Neuem.

Starker Beginn, dann stark nachgelassen

Genau dieser Schritt wird dem neuen Tomb Raider Film zum Verhängnis. Er fehlt nämlich. Dabei beginnt Laras Abenteuer deutlich glaubwürdiger als die Spielvorlage aus dem Jahr 2013. Die smarte Britin wird uns viel umfangreicher vorgestellt. Sie ist zwar jung und unerfahren, was das Grabräubertum angeht, trainiert aber Kampfsport und arbeitet als Fahrradkurierin. Das erklärt die körperliche Fitness, die im Spiel wie selbstverständlich immer vorhanden ist.

Zumindest in Ansätzen erkennt man in den ersten Momenten auch ihren Mut und ihre Intelligenz. Sie weiß sich zu helfen und ist keinesfalls das verletzliche Mädchen, das uns die Spielvorlage anfangs näherbringen will. Doch nach einem starken Anfang beginnt das Dilemma. Der Film klebt wie besessen am Spiel und begeht die selben Fehler erneut – und schlimmere. Dabei sind seit 2013 eigentlich genug Rezensionen erschienen, die die Schwächen des Videospiels offenbarten.

Während im Spiel die Figur des Antagonisten zunächst noch rätselhaft, ja beinahe mystisch wirkt, steht dieser im Film sofort mit einem “Ich bin der Böse”-Schild da. Spannungsbogen auf Urlaub? Ab diesem Moment rast Tomb Raider im Schnelldurchlauf durch diverse Referenzen auf das Spiel.

Große Momente, kleine Worte. Spoilers ahead!

Die eigentlich stärkste Szene der virtuellen Variante verliert dadurch jegliche Bedeutung. Im Spiel muss Lara in ihrem Überlebenskampf auf der Insel einen jungen Hirsch mit Pfeil und Bogen erjagen. Das Tier zu töten, nimmt sie sichtlich mit und gibt eine Seite der später so toughen Heldin preis, die ihrem Charakter mehr Tiefgang verleiht.

An die Stelle des Hirsches tritt im Film ein Gefolgsmann des Bösewichts. Sie erstickt ihn in Notwehr und scheint kurz schockiert über ihre Tat. Doch plötzlich entdeckt sie eine Gestalt im Dickicht und nimmt wieder ganz bei Sinnen die Verfolgung auf. Wieder nichts mit emotionalem Tiefgang.

Ein Leben zu nehmen, schockiert die virtuelle Lara wenigstens für ein paar Momente

Das alles hätte in der nächsten Szene wieder gut gemacht werden können. Die geheimnisvolle Gestalt ist niemand geringerer als ihr seit Jahren tot geglaubter Vater. Der denkt zunächst, er würde wieder einmal halluzinieren, als seine Tochter vor ihm steht. Als ihm klar wird, dass Lara ihn tatsächlich gefunden hat, stammelt er ein: “Was machst du denn hier?”, und ich würde am liebsten den Projektor abdrehen.

Über wie viele Spiele haben wir uns gewünscht, dass Lara irgendwie ihren Vater wiederfindet? Das ewige Thema. Über Jahrzehnte war  das Laras ganz großer Drama-Faktor in all den Spielen und Filmen. Der verschollene Vater ist nun auf zauberhafte Weise endlich mit seinem Kind vereint und der zelebriert diese großen Moment mit einem Satz, der an Leidenschaft einem “Lass ma’ ‘n Bier trinken” gleichkommt. Jetzt muss das namensgebende Grab im großen Finale alles rausreißen.

Leider ist auch hier vieles vorhersehbar. Fallen, die durch Trittmechanismen ausgelöst werden, und ein alter Fluch, der nur eine schnell wirkende Krankheit ist. Viele Rätsel muss Lara nicht lösen und ihr Scharfsinn wird nur minimal gefordert. Hier hätten ihre Fähigkeiten wieder in den Fokus gerückt und ausgespielt werden können. Immerhin muss man dem Film aber zugute halten, dass Lara nur Pfeil und Bogen benutzt und nicht auf magische Weise mit sämtlichen Schusswaffen umgehen kann.

Fazit

Der größte Pluspunkt ist ganz eindeutig Alicia Vikander. Sie hat im Laufe der Dreharbeiten erfolgreich alles gegeben, um die junge Lara glaubhaft darzustellen. Leider geht das aufgrund des gehetzten Plots und der mitunter flachen Dialoge unter. Der mittlerweile obligatorische Cliffhanger am Ende und die hochtalentierte Hauptdarstellerin erhalten aber einen Funken Hoffnung, dass beim nächsten Versuch endlich ein hochwertiger Videospielfilm über die Leinwand flackert.


Bilder © SquareEnix

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!