Level-Scaling: Gut oder doch Mist?

Wenn Gegner mit einem mitleveln hat das Vorteile aber auch Nachteile. Wir schauen uns die Mechanik des Level-Scaling genauer an:

Level-Scaling gehört zu diesen Aspekten von Videospielen, zu denen jeder eine Meinung hat. Die einen mögen es. Die anderen hassen es. Und manche lieben es, es zu hassen oder hassen es, es zu mögen. Ihr wisst, worauf wir hinaus wollen: Es ist ein leidiges Thema.

Wir wollen dem jetzt ein Ende bereiten. Denn wie so ziemlich alle Mechaniken hat auch das Level-Scaling gute und schlechte Seiten. Aber definieren wir zunächst mal, was eigentlich mit dem Begriff gemeint ist:

Definition, oh, Definition

Unter Level-Scaling versteht man eine Mechanik in Spielen, die dafür sorgt, dass Gegner mit dem eigenen Charakter mitleveln. Das kann sich in manchen Fällen als sehr starres System erweisen und dafür sorgen, dass Computer-Gegner immer eine gleich große Bedrohung darstellen, kann aber auch aufgeweicht funktionieren.

Die Mechanik ist dabei übrigens nicht auf RPGs beschränkt, sondern findet sich auch in Variationen in anderen Genres wieder. Ein prominentes Beispiel dafür wäre die sogenannte Gummiband-Mechanik aus Rennspielen. Die zieht eure Rivalen zu euch heran wie an einem Gummiband. Und umgekehrt. Ganz egal, wie gut ihr fahrt. Hier hängt es aber nicht mit eurem Level sondern eurer Geschwindigkeit zusammen.

Der klebt euch immer an der Stoßstange © EA

Die erste Krux

In diesem Fall zeigt sich auch schon recht gut das größte Problem des Level-Scaling: Im Gegensatz zu Spielen ohne dieses System, fühlt sich unser Fortschritt wesentlich nichtiger an. Macht ja auch Sinn. Wenn es für mich mit Level 1 gleich schwer ist Feinde umzunieten wie mit Level 42, fühlt sich das an wie Stillstand.

In Spielen, wo Feinde von Gebiet zu Gebiet schwerer niederzukloppen sind – oder in Rennspielen von Klasse zu Klasse schwerer abzuhängen –, schaut die Sache anders aus. Hier lässt sich der Fortschritt des Charakters viel leichter beobachten und spüren. Unsere Macht wächst mit unseren Stats und macht einen Feind, der uns vor ein paar Stunden noch den Schweiß aus den Poren getrieben hat, zu einem leichten Opfer für unser Schwert.

Der erste Vorteil

Gerade in Open-World-Spielen kann das aber schnell zum Nachteil werden. Wie langweilig wird ein Spiel schließlich, wenn ich in ein Gebiet zurückkehre, das ich schon kenne und die Feinde dort plötzlich überhaupt keine Herausforderung mehr darstellen. All die Spannung: weg!

Wenn wir allerdings ein Level-Scaling-System auf unsere Spielwelt legen, verhindern wir so etwas nicht nur. Wir können auch vom ersten Moment an unserem Entdeckerdrang freien Lauf lassen und selbst die fernsten Ecken einer Spielwelt erleben.

Die Gegner werden von Gebiet zu Gebiet stärker © Ubisoft

Die zweite Krux

Damit geht mir dann aber auch der Moment flöten, in dem ich kurz mal durchschnaufen kann. Dieser kurze Ausflug in bekannte Gefilde, um niedrig-levelige Schleim-Monster mit einem Riesenschwert zu zerhauen, oder schlechtere Fahrer den eigenen Staub schlucken zu lassen.

Realistisch gesehen ist reines Level-Scaling heute deshalb auch schon eine Seltenheit geworden. Zum einen, weil es jede Spannung aus einem Spiel nimmt und zum anderen, weil es jegliche Immersion zerstört. Wenn in Assassin’s Creed: Origins jeder Soldat mit mir mithalten könnte, wäre das schließlich furchtbar unglaubwürdig.

Der zweite Vorteil

Gleichzeitig ist eine Spielwelt ohne jegliches Level-Scaling aber auch nicht besonders glaubhaft. Warum sollen auch alle Feinde in Gebiet A schlechter sein als die in Gebiet B? Natürlich lässt sich auch das relativ organisch in eine Welt einflechten, es muss aber dann im Sinne der Geschichte funktionieren.

Außerdem wird unser Charakter dann mit der Zeit surreal stark und die Abstände zwischen den einzelnen Feinden zu groß. Warum sollte ich einen Soldaten in Gebiet C mit einem Schlag niederstrecken, während ich für einen Hund in Gebiet F dreizehn Heiltränke brauche?

Abgeschwächte Formen

Um die Immersion zu erhalten, aber auch die Spannung nicht leiden zu lassen, gibt es deshalb stark abgeschwächte Formen des Level-Scalings. Die finden sich zum Beispiel im Upscaling, wie man es in The Legend of Zelda: Breath of the Wild findet.

Geralts Gegner können mit ihm mitleveln © CD Project Red

Hier sind die Feinde im Startgebiet signifikant schwächer als im Rest der Welt. Sich hinaus zu wagen, stellt also ein großes Risiko dar. Wie meistens werden die dann aber auch immer leichter zu bekämpfen. Ergo sollten die schwachen Feinde im Startgebiet überhaupt keine Herausforderung mehr darstellen, oder? Nicht ganz. Tatsächlich ist es so, dass diese ein wenig in ihrer Schwierigkeit nachziehen, um immer noch ein Problem darzustellen. Sie bleiben aber so leicht, dass man Links Fortschritt bemerkt.

Im dritten Witcher-Teil lässt sich ein Upscaling dazuschalten. Kein Gegner kann dann unter Geralts Level fallen. Sie können aber sehr wohl stärker sein als er. Dadurch, dass sich diese Mechanik aus- und anschalten lässt, kann man aber auch Ruhepausen einlegen, wenn man welche möchte.

Fazit

Was heißt das jetzt alles, für unsere Debatte rund ums Level-Scaling? Wie meistens, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt. Ein Spiel kann nicht jeden Gegner an mein Level anpassen. Reine gebietsbezogene Schwierigkeit ist aber auch nicht nur unglaubwürdig, sondern auch irgendwie langweilig, wenn man in diese Gebiete zurückkehrt.

Und zusätzlich muss auch der Hauptgedanke des Spiels betrachtet werden: Soll ich als Spieler zur Erkundung angeregt werden, ist ein Level-Scaling-System wahrscheinlich sinnvoller als bei einer recht linearen Story. Bei einer linearen Geschichte ohne viele Nebenquests ist Level-Scaling natürlich ohnehin verschwendet.

Das gilt aber nicht für eine Gummiband-Mechanik. Die ist immer furchtbar.


© Nintendo

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!