Jagen in Games: Demut Fehlanzeige

Pfeil und Bogen, Karabiner oder Fallen. Videospiele bieten unzählige Möglichkeiten das virtuelle “Wildlife” zur Strecke zu bringen. Eine sinnvolle emotionale Aufarbeitung des Tötens findet aber de facto nicht statt.

Wäre künstliche Intelligenz bereits dazu in der Lage, sie würde wohl umgehend einen Greenpeace-Ableger im virtuellen Raum einrichten. Das Jagen von Tieren dient in unterschiedlichen Genres als zentrales Element von Storytelling und Questdesign. Selten wird das Töten jedoch hinterfragt oder gar in seiner Komplettheit thematisiert.

Das stellt sowohl im Questdesign als auch der Erzählung ein Problem dar. Vor allem in (Fantasy-)Rollenspielen haben die berüchtigten “Fetch”-Quests traurige Berühmtheit erlangt. Bringe X Wolfspelz zu gesichtslosem Händler A. Beweise Jagbausbildner B mit sieben Hirschfellen, dass du seiner Zeit würdig bist. Erhalte Schwert Sowieso gegen die Vorlage von drei Stück Ziegenleder, fünf Adlerfedern und einem Einhornhuf.

Tiere werden hier als Ressource behandelt. Sie unterscheiden sich also in all den Skyrims und Gothics nicht von Erzadern oder Edelsteinminen. Übertrieben gesagt gibt es außer Raffgier und dem Skillbeweis vor Trainern keine Legitimation für das überschwängliche Morden. Und auch diese werden der ursprünglichen Bedeutung der Jagd nur minimal gerecht.

Tiere als Rohstoff

Für die Jagd ist ein Umstand von grundlegender Wichtigkeit: Die Verbundenheit von Jäger und Natur. Egal ob Mensch oder anderes Raubtier, der Tod ist Teil des Lebens. Unsere Welt reguliert sich selbst. Ein übertriebener Eingriff durch den Menschen gefährdet das empfindliche Gleichgewicht. In ihrer natürlichen Art geschieht Jagd nur, wenn sie notwendig ist.

In Skyrim ist die Jagd maximal Nebenbeschäftigung © Bethesda

Dabei ist essentiell, dass beim Jäger in der Regel eine Art Dankbarkeit für die erlegte Beute herrscht. Wir attestieren Tigern, Bären oder Haien, dass sie eine solche Demut als Teil des ewigen Kreislaufs verinnerlicht haben. Uns Menschen ist diese im Laufe der “Zivilisation” ein wenig verloren gegangen. Das Töten übernehmen Maschinen oder Menschen, die sich mit dem “Tiere sind Rohstoffe”-Gedanken abgefunden haben.

Nun soll dies keine Ode an militante Tierschützer werden, dennoch darf man mit Recht hin und wieder daran erinnern, was vor unserem gottähnlichen Gehabe für ein saftiges Steak getan werden musste. Der nihilistische Umgang mit dem Tod überträgt sich nämlich gefährlich oft in die modernen Unterhaltungsmedien. Es geht infolge also um lückenhaftes, manchmal ignorantes Gamedesign.

Positivbeispiele

Doch es geht auch anders. In minimalen Ansätzen zeigt das beispielsweise Far Cry 4. Zwar erwarten den Spieler keine direkten Sanktionen, wenn er Kyrats Nashornpopulation allzu sehr ausdünnt, jedoch wirkt sich die Verwendung von herkömmlichen Waffen wie Pfeil und Bogen positiv auf unser Karma aus. Außerdem erinnert Ubisofts Shooterprimus beinahe im Minutentakt daran, dass der Mensch auch nur ein Teil der Nahrungskette ist. Wölfe, Bären und Tiger sehen uns auch ohne aggressives Verhalten regelmäßig als Futterquelle.

Diese rudimentäre Erinnerung an die Gegebenheiten der Natur bekommt in Horizon Zero Dawn einen interessanten Spin. Menschen sind in prähistorischen Stämmen organisiert. Die Kunst der Jagd ist essentiell für ihr Überleben. Die “Tiere” sind zwar Maschinen, verhalten sich aber durchaus natürlich. Sie leben in Rudeln, suchen nach Aas und reagieren entsprechend ihrer Gesinnung auf menschlichen Kontakt.

Kill or be killed heißt es bei Horizon Zero Dawn © Sony

Parallel existiert auch noch das herkömmliche Wildleben in Form von Wildschweinen, Füchsen, Fischen, etc. Das gesamte Ökosystem kann nach Belieben dezimiert werden. Im Falle der Maschinen legitimiert die Story unser Vorgehen. Eine unbekannte Macht hetzt sie gegen die Menschen auf. Jede Maschine wird also zum potentiellen Feind. Nach dem hundertsten erlegten Wildschwein kräht abermals kein Hahn.

Spürbare Demut

Aloy vergießt keine Träne, nachdem sie sich durch eine Herde Strider gekämpft hat. Ganz anders ergeht es der jungen Lara Croft im 2013 erschienen Tomb Raider. Noch lange vor ihrer Zeit als toughe Grabräuberin (und doch nicht so lange, wenn man sich ihre Entwicklung im Laufe des Spiels ansieht) übersteht die Britin ein Schiffsunglück und muss plötzlich all ihre Survivalkünste aufbieten, um zu überleben.

Sie findet einen Bogen und muss gleich zu Beginn auf die Jagd gehen. Verzweifelt auf der Suche nach Nahrung, erlegt sie ihr erstes Reh. Lara ist von dem Anblick des verendenden Tieres sichtlich geschockt. Die junge Archäologin entschuldigt sich sogar bei ihm, weiß aber zugleich ob der Notwendigkeit ihrer Tat. Als Spieler fühlen wir ein Stück weit mit. Tiere sind eben doch nicht nur Inventargegenstände.

Auf die Frage, wer Bambi getötet hat © Square Enix

Dieser äußerst positive Zugang wird im Laufe des Spiels allerdings recht schnell dadurch ad absurdum geführt, dass das Spiel einen darauf hinweist, man solle doch möglichst viel Wildtier meucheln. Für XP. Schönes Ding.

Ausnehmen als Ausnahme

Auch wird bei späteren Kills nie der nächste Schritt gezeigt. Nach dem Töten kommt schließlich noch was, ehe man Bambi verspeisen kann. Tomb Raider ignoriert das Häuten und Ausnehmen der Tiere komplett. Töten, sammeln, fertig.

Anders ist hierbei der Zugang von Rockstars Red Dead Redemption: John Marston wird nach jedem Schuss eines Tieres dabei gezeigt, wie er das Messer zückt und das Tier häutet. Überspringen kann man die kurze Sequenz nicht. Und auch wenn man keine Details sieht, ist der schiere Akt doch ein ziemlicher Bruch mit bekannten Normen.

John Marston muss immer alles brav zerlegen © Rockstar Games

Auch hier werden wir aber nicht wirklich für die Kills abgestraft. Geht es nach dem Spiel, kann der Outlaw den letzten Büffel eigenhändig umlegen. Er braucht dann eben ein paar Schnitte mehr zum Ausnehmen. Und vielleicht eine zweite Kugel.

Strafe fürs Jagen

Bei No Man’s Sky ist das nicht so. Auch im Weltraum-Survival-Sandkasten von Hello Games gibt es die Möglichkeit, die unzähligen Tierarten des Universums zu jagen. Hier allerdings wird das gar nicht gern gesehen. Die Sentinels, die fliegenden Wächter einer stabilen Galaxis, werden sofort wütend, wenn sie einen dabei ertappen.

Die sind zwar keine wirkliche Bedrohung und schnell erledigt, aber wenigstens sagt einem mal jemand, dass das Meucheln armer Wildtiere nicht die feine englische Art ist. Hier haben wir allerdings teilweise keine andere Wahl. So gibt es zum Beispiel bestimmte Ressourcen, die nur durch das Töten von Lebensformen ergattert werden können.

Die kleinen Dinger zu töten ist aber auch gemein… © Sony

Seit dem Atlas-Rises-Update haben sich auch Missionen eingeschlichen, in denen man einfach X Lebensformen töten soll. Diesmal kriegt man aber wenigstens Kohle dafür. Ob das besser ist als die XP bei Tomb Raider sei dahingestellt.

Dass PETA und Greenpeace mit solchem Verhalten keine Freude haben, braucht aber auf jeden Fall nicht mehr zu überraschen. Tiere sind auch hier nichts anderes als Ressourcenpools mit Beinen. Nicht anders, als im realen Leben eben. Nur dass es in Games keinen kratzt.


Titelbild: © Ubisoft

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!