Die WHO will Gaming Disorder als Krankheit einstufen

Die World Health Organization (WHO) will Videospielsucht offiziell als “Gaming disorder” in die 11. International Classification of Diseases aufnehmen. Aber wo ist die Grenze zwischen Leidenschaft für ein Hobby und krankhaftem Zwang?

Im Entwurf der neuen “International Classification of Diseases” definiert die World Health Organization “Gaming disorder” als ein Muster von Spielverhalten, das durch eingeschränkte Kontrolle und zunehmende Priorität für Gaming gegenüber anderen täglichen Aktivitäten und Interessen charakterisiert ist. Das gilt besonders, wenn trotz negativer Konsequenzen nichts am Verhalten verändert wird. Als Begründung für diese Entscheidung nennt die World Health Organization “vorhandene Beweise” und den “Konsens von internationalen Experten verschiedener Felder.” Genauere Definitionen dazu finden wir auf der Website nicht.

Es gibt also keine genauen Richtlinie dafür, wie viele Stunden pro Woche man spielen kann oder wie häufig man Wutausbrüche durchleben darf. Wie bei anderen Suchtproblemen geht es darum, Kontrolle über das eigene Verhalten zu bewahren. Laut WHO ist erfahrungsgemäß auch nur ein sehr geringer Anteil an Gamern von diesem krankhaften Verhalten betroffen.

Was bringt die Anerkennung der Krankheit jetzt genau? Die Hoffnung ist, dass Videospielsucht ernst genommen wird und mehr investiert wird, um mehr Behandlungsmöglichkeiten anbieten zu können. Die Entscheidung betrifft letztendlich auch nur diejenigen, deren Lebensqualität durch ihr Spielverhalten verschlechtert wird. Gamer, denen ihr Hobby einfach Spaß macht, sollten sich deshalb nicht sofort angegriffen fühlen.

Die Ursachen der Sorge

Das Thema Videospielsucht sorgt häufig für heftige Diskussionen. Ein Grund dafür sind die Fälle, in denen diese Sucht fatale Folgen hatte. Zwei Beispiele:

1. Der Vorfall eines 18-Jährigen Taiwanesen, der nach einem 40-stündigen Diablo 3 Marathon an einem Herz- Kreislaufstillstand starb.

2. Die Geschichte einer amerikanischen Mutter, die ihre dreijährige Tochter verhungern ließ, während sie stundenlang World of Warcraft spielte.

World of Warcraft hat einen Stammplatz in dieser Diskussion.

Vorfälle wie diese schockieren. Vor allem für Nicht-Gamer scheint es unverständlich, wie jemand von einem Spiel so gefangen sein kann. Natürlich sind es Ausnahmefälle. Trotzdem zeigen sie das Suchtpotenzial von Videospielen auf. Einige Länder haben Videospielsucht schon vor der Entscheidung der WHO als Problem der öffentlichen Gesundheit identifiziert. So gibt es im Vereinigten Königreich private Suchtkliniken dafür.

“Die schicken uns Gamer alle in die Reha!”

Die Gaming-Community selbst reagiert auf die Entscheidung großteils mit Verunsicherung und Wut. Die sozialen Medien sind von entrüsteten Kommentaren nur so überflutet. Viele Gamer die ihr Hobby leidenschaftlich betreiben, fühlen sich angegriffen und missverstanden. Sorgen wie “Die schicken uns Gamer alle in die Reha!” oder “Ich frag mich, mit welchen Drogen sie Kinder dagegen wieder vollpumpen!” landen auf Twitter.  Andere bezeichnen die Aktion der WHO sogar als “Hexenjagd”.

Die Huffington Post schreibt sogar, dass die Klassifizierung von “Gaming disorder” als psychische Krankheit “echte” psychische Krankheiten verharmlosen würde. Weitere Kritik geht an China und Korea. In China gibt es eigene Camps für die Behandlung von Internetsucht. In Südkorea ist es Jugendlichen verboten, zwischen Mitternacht und 6:00 Uhr morgens das Internet zu nutzen. Dabei beruft sich die Huffington Post auf Studien, laut denen solche Maßnahmen ineffektiv sind.

Wie viel Diablo ist noch gesund?

Doch während Gamer meist selbst abschätzen können, ob ihr Verhalten an Sucht grenzt, ist es für Menschen, die keinen Kontakt mit Videospielen haben, wesentlich schwieriger. Besonders Eltern begeisterter Gamer könnten durch das Vorhaben der WHO stark verunsichert werden. Denn wenn es um das Wohl der eigenen Kinder geht ist es verständlich, dass Eltern sehr vorsichtig sind.

Und wie geht man jetzt damit um?

Hat man die Vermutung, jemand könnte ein ernsthaftes Suchtproblem haben, sollte man sich laut WHO diese Fragen stellen: Wie viel Zeit wird mit Gaming verbracht? Gibt es irgendwelche Veränderungen der psychischen oder physischen Gesundheit oder hat sich das soziale Verhalten verändert? Wer daraufhin das Gefühl hat, tatsächlich erkrankt zu sein, kann sich in psychologische Behandlung begeben. Diverse Einrichtungen, wie zum Beispiel das Anton-Proksch-Institut in Wien, haben sich mittlerweile schon auf Computer- und Videospielsucht spezialisiert.

Wo genau die Grenze zwischen Hobby und Sucht liegt lässt sich derzeit aber nicht an konkreten Zahlen definieren, die Symptome lassen sich eher subjektiv einschätzen. Wer den Frisörtermin verschiebt, weil er gerade den neuesten Teil der Lieblings-Spielereihe in die Hände bekommen hat, muss sich also nicht automatisch in die Reha-Klinik einweisen lassen. Wenn das Spielen aber negative Auswirkungen auf das eigene Leben hat, ist das durchaus ernst zu nehmen.


Bebilderung © Blizzard

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